Als Bonus gibt’s den "Narhalla-Marsch"! Wenn das keine CD ist, die Freude macht!

Paul Hindemith Mainzer Umzug
Paul Hindemith Mainzer Umzug

Das Hauptwerk darauf ist der "Mainzer Umzug" von Paul Hindemith aus dem Jahr 1962, komponiert zur 2.000-Jahr-Feier der Stadt Mainz. Ein Spätwerk des Komponisten also, der Jahr darauf starb. Immerhin hielt er die 40-minütige Festkantate für Soli, Chor und Orchester für wichtig genug, dass er sie noch im Jahr der Uraufführung in Wien dirigierte.

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.

Auch der Textautor ist von Gewicht: Carl Zuckmayer dichtete diese humorvolle Rückschau auf die Mainzer Stadtgeschichte zum Teil im lokalen Dialekt, der ihm gut bekannt war. Als gebürtiger Nackenheimer war Zuckmayer schließlich Beinahe-Mainzer. Was hätte das für eine Librettisten-Komponisten-Beziehung werden können, wäre es früher zur Zusammenarbeit gekommen und der gewiefte Dramatiker hätte den Text zur "Harmonie der Welt" geschrieben und nicht der sich in viel zu viele lähmende Querbezüge verstrickende Komponist selbst.

Im "Mainzer Umzug" gibt’s drei Solisten: Der "Pronobis"-Bariton berichtet, "Böppche"-Sopran, "Schöppche"-Tenor und der Chor geben die lebenspralle Farbe. Der Stil von Fastnachtsspielen schimmert durch - und das passt gut zu Hindemiths Musik, die ein Hohelied auf kontrapunktische Handwerklichkeit singt, aber ein höchst vergnügliches. Anders gesagt: Witziger, energiegeladener, vitaler ist keine von Hindemiths späten Kompositionen. Der "Mainzer Umzug" ist zwar kaum bekannt, aber ein Meisterwerk.

Beinahe freilich wäre es nicht dazu gekommen, denn Hindemith war als Komponist nur die zweite Wahl. Ursprünglich vorgesehen war Carl Orff. Man hoffte wohl auf eine Art Mainzer "Carmina burana". Doch entweder war dem Münchner das Rheinhessische zu entlegen, oder er hatte sich schon viel zu tief in die griechisch-römische Antike versenkt, um sich mit solcher Sinnenfreude abzugeben. Jedenfalls winkte Orff ab. Was den Mainzern letzten Endes vielleicht sogar recht war, denn da mussten sie niemanden sozusagen aus dem bayerischen Ausland holen: Immerhin war Hindemith als gebürtiger Hanauer so quasi ein Nachbar.

Viel ist geschrieben worden über Hindemiths stilistischen Wandel vom Nachromantiker der Frühwerke zum Expressionisten und Neoklassizisten, der anfangs ganz auf bürgerschreckende Härte setzte und sich schließlich zu Beginn der 1930er Jahre ganz selbstbestimmt zum altmeisterlichen Kontrapunktiker wandelte, was einen Hauch von staubigem Beigeschmack spüren lässt. Die auf der CD ebenfalls eingespielten "Sinfonischen Metamorphosen" freilich sind alles andere als trocken, sondern eine grandiose Orchesterparade - man kann sie freilich, etwa unter Herbert Blomstedt, zündender hören als hier unter Hermann Bäumer mit dem tüchtigen Philharmonischen Orchester der Stadt Mainz. Das Vorspiel zum "Flieder"-Requiem hingegen zeigt, welche Probleme Hindemiths Musik machen kann: Sperrig und spröde ist das, wohl von eigenem Reiz, aber doch auch befremdlich ausgeblutet.

Genau diese Kargheit ist es, die dann Hindemiths letzte Werke zum Prüfstein auch für einen mit Neuer Musik vertrauten Zuhörer macht - und dann schreibt Hindemith diesen "Mainzer Umzug", der so frisch und vergnügt ist und so wirkungsvoll, als hätte es nie eine "Harmonie der Welt" oder eine "Pittsburgh Symphony" gegeben.

Diese CD ist ein Muss. Und wen Hindemith nicht begeistert, dem bleibt immer noch Und außerdem ist da noch der Narhalla-Marsch.