Talent, Biss, dazu das richtige Elternhaus: Fortuna hatte dem Komponisten Walter Braunfels reichlich Gaben in die Wiege gelegt. Und doch: Die Zeitläufte des 20. Jahrhunderts brachten die Karriere des Manns aus Frankfurt zweimal zum Erliegen - und ließen ihn schließlich dem Vergessen anheimfallen.

Dabei hatte diese Laufbahn so vielversprechend begonnen: 1882 als großbürgerlicher Spross geboren und auch bei einem Lehrer Arnold Schönbergs ausgebildet, arbeitete sich Braunfels in München die Karrieresprossen hoch: Ein erstes Erfolgshoch erreichte er 1909 mit der Oper "Prinzessin Brambilla", den Zenit nach dem Ersten Weltkrieg mit seinem Musiktheater "Die Vögel" (1920). Die überflügelten sogar kurz den Erfolg mancher Strauss-Oper und sicherten Braunfels das Interesse der führenden Dirigenten. In den 30er Jahren dann aber der jähe Absturz: Das Hitler-Regime erklärte den Tonsetzer zum "Halbjuden" und beraubte ihn seiner Ämter. Unwillig, ins Ausland zu flüchten, verkapselte sich der einstige Kunst-Star in der inneren Emigration. Damit jedoch nicht genug des Unbills: Die Nachkriegszeit verwehrte dem Romantiker Braunfels ein Comeback. Denn die Avantgarde empfand jede gefühlsselige Musik als Hitler-kontaminiert und brach schroff mit der Tonalität. Eine bittere Wende für jene jüdischen Komponisten, die nun schon zum zweiten Mal kaltgestellt wurden. Erich Wolfgang Korngold zum Beispiel: Nach seinen Exiljahren in Übersee fand er keinen Anschluss an die neue, Alte Welt und starb 1957 in Los Angeles; Braunfels verschied 1954 ebenso unbesungen in Köln.

Walter Braunfels Divertimento,Serenade u. a. (Capriccio)
Walter Braunfels Divertimento,Serenade u. a. (Capriccio)

Das RSO Wien zollt dem Frankfurter Tonsetzer nun mit einigen leichteren Nummern aus dessen Köcher Tribut. Mag zwar sein, dass dieses Album keinen Geniestreich enthält. Doch apart sind die Stücke allemal und geeignet, das Konzertsaal-Repertoire charmant zu erweitern.

Das gilt vor allem für die Serenade in Es-Dur (1910): Der flockige Viersätzer geht ebenso gut ins Ohr, wie er in die mitwippenden Beine fährt. Zudem besticht er mit einer Balance, die Braunfels nicht durchwegs gelingt - nämlich einem Gleichgewicht zwischen quirliger Fröhlichkeit und üppigem Mahler-Pathos.

Nikolai Rimski-Korsakow Scheherazade (Tonkünstler)
Nikolai Rimski-Korsakow Scheherazade (Tonkünstler)

Der deutsche Dirigent Gregor Bühl setzt die süffigen Seiten dieser Serenade farbensatt in Szene und bringt auf dieser Aufnahme auch eine sanfte Grazie zum Glitzern, nämlich "Ariels Gesang" aus dem Jahr 1910 - acht Orchesterminuten voll kostbarer Streicherseide, Flötensilber und Harfengeglitzer.

Debüt mit Prachtentfaltung

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Christoph Irrgeher.
"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Christoph Irrgeher.

Das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich hat unterdessen einen Evergreen eingespielt, allerdings mit einem Überraschungsmann am Dirigentenpult: Junggeiger Emmanuel Tjeknavorian hat für Rimski-Korsakows "Scheherazade" seinen Viersaiter gegen den Taktstock getauscht und überlässt auch den Sologeigenpart einem anderen, nämlich dem akkuraten Konzertmeister Kirill Maximov. Ergebnis? Der Melodienreigen ist auf Prachtentfaltung getrimmt, hie und da charmieren zärtlich betonte Nebenstimme. Eine achtbare Talentprobe des 26-Jährigen, der sich das Know-how im Elternhaus geholt hat (nämlich bei der Pult-Ikone Loris Tjeknavorian) und hier als Draufgabe durch die "Polowetzer Tänze" braust.