Eigentlich seltsam, dass Musikerscherze so oft zulasten der Bratschisten gehen. Die einzigen, die im Orchester ein unglamouröses Dasein führen, sind sie ja nicht. Da wären zum Beispiel auch: die Tieftöner unter den Holzbläsern, also die Fagottisten. Diese, so hieß es 1882 satirisch in der "Neuen Musik-Zeitung", "freuen sich schon bei der Ouverture auf den 5. Act, in welchem sie einen Takt Solo zu blasen haben. Mäßig in der Lebensweise, sind sie gute Gatten und Väter." Tatsächlich bekam dieser Menschenschlag seinerzeit jedenfalls kaum markante Aufgaben auszuführen - es sei denn, ein Komponist nützte die knatternden, schnatternden Klangeffekte des Instruments für einen (derben) Spaß. Erst die Moderne begann, das volle Sound-Spektrum des Fagotts auszukosten, das vom fülligen Bass über noble Tenortöne bis in ungeahnte Höhen reicht.

Theo Plath, Jungfagottist aus Deutschland, schöpft diese Vielfalt gewinnend aus und erfüllt sich auf seiner zweiten CD einen Herzenswunsch. Müsste die Kammermusik der Romantik und des Impressionismus, so fragt er, seinem Instrument nicht gut anstehen? Gesagt, getan: Plath hat sich ein paar Prachtstücke aus der Literatur für den Eigengebrauch "ausgeborgt" und umarrangiert. Und tatsächlich: Debussys Sonate für Violine und Klavier behält ihren mysteriösen Nimbus auch bei, wenn ein Fagott statt der Geige wortlos singt; und die "Trois Pièces" von Nadia Boulanger gehen ihrer Delikatesse nicht verlustig, wenn das Klavier (Aris Alexander Blettenberg) mit einem Fagott statt Cello in Dialog tritt. Nur die Geigensonate von César Franck erweist sich als nicht ganz kompatibel. Erstaunlich zwar, wie verinnerlicht sich dieser Reißer der Romantik lesen lässt. Doch spätestens im Finale, wenn die Violine in der Normalbesetzung vor Inbrunst glüht, müsste das Fagott ein hohes Dringlichkeitsniveau erreichen - das Plath aber wohl aus klanglichen Gründen vermeidet. Doch sei’s drum: Der 27-Jährige brilliert mit einem dermaßen runden, warmen und zart nuancierten Ton, dass sein Album zum Damaskuserlebnis für Fagott-Ungläubige werden könnte.

Theo Plath, Aris Alexander Blettenberg Lost Times
Theo Plath, Aris Alexander Blettenberg Lost Times

Der Pianist Mattias Spee setzt sich ebenfalls für einen Außenseiter ein - aber einen der Komponistenzunft, nämlich Joseph Wölfl. In Salzburg geboren und vom Mozart-Clan ausgebildet, erarbeitete sich der Mann in einem kurzen Musikerleben (1773-1812) flüchtigen Ruhm: Der Zwei-Meter-Pianist mit den Riesenhänden machte als Virtuose Furore, nicht zuletzt in einem Klavierduell mit Ludwig van Beethoven. Wölfl glänzte bei diesem High Noon in Wien angeblich mit apollinischer Klarheit, während Beethoven seine Improvisationsfantasie lodern ließ; der Nettere soll übrigens (wen wundert’s!) Wölfl gewesen sein.

Mattias Spee Eclipse Vol. IJoseph Wölfl
Mattias Spee Eclipse Vol. IJoseph Wölfl

Dass sich der auch aufs Notensetzen verstand, belegt seine Klaviersonate in c-Moll. Virtuosenfutter, Mozart-Imitation? Die Schönheit der Melodien, das kontrapunktische Geschick und manche harmonische Pointe schützen den Fünfsätzer vor solchen Verdikten. Stimmt zwar: Einem Beethoven reicht diese charmante Musik nicht das Wasser. Aber einen Kennenlern-Termin verdient sie sich trotzdem. Schon allein, damit in die Playlist der Klassik-Liebhaber ein wenig frischer Wind einzieht, den Spee mit seinem Entdecker-Projekt anfachen will.

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Christoph Irrgeher.
"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Christoph Irrgeher.