Kennt jemand noch die Musik von Paul Lincke? - Wenn der Marsch "Berliner Luft" gespielt wird, kommt der einem auch als Wiener bekannt vor. Aber sonst? In den Wunschkonzerten der 1970er Jahre erklang oft das "Glühwürmchen-Idyll" aus der Operette "Lysistrata" und "Schlösser, die im Monde liegen" aus der Operette "Frau Luna". Mittlerweile aber ist Lincke nur noch eine Berliner Lokalerscheinung.

Dabei war Lincke ein glänzender Operettenkomponist. Er war ein ungefährer Zeitgenosse von Franz Lehár, 1866 (4 Jahre vor Lehár) geboren, 1946 (2 Jahre vor Lehár) gestorben. Auch stilistisch sind die beiden vergleichbar - sofern man den frühen Lehár als Maßstab nimmt. Vielleicht sind Linckes Walzer weniger einschmeichelnd, vielleicht plustern sich die Posaunenbässe etwas mehr auf, vielleicht bevorzugt er die Pickelhaube bei den Märschen, die bei Lehár doch immer einen Schlagobersgupf tragen und sich entschuldigen, dass sie keine Walzer sind. Etwas Zündendes ist diesem Lincke jedenfalls immer eingefallen. Dennoch ist er weg; wie sehr, zeigen die im Handel befindlichen CDs: Eine mit historischen Aufnahmen und eine mit Salonstücken - das war‘s.

Paul Lincke
Paul Lincke

Jetzt endlich schließt der österreichische Dirigent Ernst Theis am Pult des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt die Lücke: Die CD bietet die Ouvertüren zu den Operetten "Berliner Luft", "Lysistrata", "Casanova", "Venus auf Erden", "Grigri", den Walzer "Verschmähte Liebe", die "Siamesische Wachtparade", die "Ouvertüre zu einer Operette" und die "Ouvertüre zu einem Ballett". Diese CD ist einfach hinreißend! Theis liest die Partituren sehr genau, und doch lässt er das glänzende Orchester süffig ausspielen: Die Holzbläser glitzern, das Blech trumpft robust auf, und das Wechselspiel von Großer Trommel und Becken fährt in die Beine. Eine glänzende Ehrenrettung dieser gehobenen leichten Musik ist das - und dass die CD ein "Vol. I" ist, lässt auf ein paar Lincke-CDs mehr hoffen. Eine flotte CD, die richtig Freude macht.

Wolfgang Amadeus Mozart Die verstellte Gärtnerin
Wolfgang Amadeus Mozart Die verstellte Gärtnerin

Wolfgang Amadeus Mozarts "La finta Giardiniera" ist ein Meisterwerk! Der 19-jährige Komponist gebietet über die volle Palette seines Könnens, von der tändelnden Buffo-Arie bis zur ernsten Seelenerkundung. Das Libretto allerdings war schon seinerzeit ein Problem: Alle sind verliebt, nur nicht ineinander, sondern jeder in einen, der ihn nicht widerliebt. (Man lese das der Einfachheit halber bitte geschlechtsneutral.) Es kennt sich keiner aus, und wenn das italienisch gesungen wird, schon gar nicht.

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.
"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.

Deshalb dürfte Mozart selbst die Singspielfassung von Johann Franz Joseph Stierle autorisiert haben: An die Stelle der Secco-Rezitative tritt gesprochener Dialog, und die Sprache ist durchgehend Deutsch. Diese hinreißende Fassung hat Andrew Parrott mit dem Münchner Rundfunkorchester und einem glänzenden Solistenensemble (darunter Sandrine Piau, Julian Pregardien und Wolfgang Ablinger-Sperrhacke) aufgeführt. Der Mitschnitt ist nun erschienen und klingt technisch leider nach Bahnhofshalle. Man kann auch bemäkeln, dass die gesprochenen Dialoge arg steif herüberkommen. Dennoch ist das eine wunderbar frische und flotte Aufführung einer grandiosen Musikkomödie. Ein Vergnügen!