Manche Labels machen durch Formate auf sich aufmerksam - und hätten das nicht notwendig, weil ihre Veröffentlichungen spannend genug sind.
Im Palazzetto Bru Zane in Venedig ist das Centre de musique romantique française (Zentrum für französische Musik der Romantik) untergebracht, das CDs mit wenig bekannten französischen Opern veröffentlicht. Unbekannte Werke bekannter Komponisten wie Reynaldo Hahn, Jacques Offenbach oder Camille Saint-Saëns waren darunter oder heute sogar gänzlich unbekannte Komponisten wie Fernand de la Tombelle oder Jean-Baptiste Lemoyne.

Alle Veröffentlichungen sind hochpreisig, dafür glänzend ausgestattet - nur kommen sie im DVD-Format daher, was den uninformierten Käufer verunsichert. Weshalb Bru Zane nicht das normale (und leichter einzuordnende) CD-Format wählt, ist ein Rätsel.
Die jüngste Veröffentlichung betrifft allerdings kein unbekanntes Werk eines unbekannten Komponisten, sondern eine zentrale Oper des französischen Repertoires: "Robert le diable" von Giacomo Meyerbeer.

Weshalb dieser 1831 in Paris mit durchschlagendem Erfolg uraufgeführte Historienknüller über einen Herzog und einen Abgesandten der Hölle inklusive einem Ballett der aus den Gräbern steigenden toten Nonnen überhaupt von den Bühnen verschwinden konnte, ist mit dem Nationalsozialismus allein nicht zu erklären.

Gewiss: In Deutschland und Österreich wurde der Jude Meyerbeer verboten. Doch auch in anderen Ländern verschwanden seine Opern von den Bühnen: die Folge eines Geschmackswandels? Vielleicht wurde die glänzende Bühnenshow, die üppige Ausstattung und grandiose Stimmen verlangte, tatsächlich einfach unmodern.
Allerdings sollte man sich heute wieder auf Meyerbeer besinnen: aus musikalischen Gründen einerseits, denn diese Mischung aus lyrisch schmachtender und zündender Melodie ist sonst nur noch bei Bizet und Verdi anzutreffen; doch Meyerbeer ist obendrein ein Virtuose des Orchesterklangs und des musikalischen Effekts, und es ist kein Zufall, dass Richard Wagner ihn neidvoll bekämpft hat.
Die Einspielung wird von Marc Minkowski, der sich des Werks zuvor schon live angenommen hatte, glänzend geleitet. John Osborn, Nicolas Courjal, Amina Edris sind unter den Solisten - vielleicht nicht die absolute Erfüllung der Vokalparts, aber angesichts der abnorm hohen Tessitura wohl so ziemlich das beste, was man heute aufbieten kann. Unbedingt hörenswert.
Das ist auch die CD mit Ouvertüren und Bühnenmusik von Meyerbeer. Unter Leitung von Dario Salvi klingt das Czech Chamber Philharmonic Orchestra Pardubice wie ein internationales Spitzenorchester: Die frischen Farben und klaren Konturen passen wunderbar zu dieser virtuosen, unfassbar eleganten Musik, die zeigt, dass Meyerbeer auch ein Meister der leichteren Klassik war. Der "Türkische Marsch" aus "Wirt und Gast" - ein Zugabestück, wie es besser nicht geht. Die ganze CD ist eine reine Freude und ein unbedingtes Muss!