So manche Erfindung macht anders als geplant Furore. Beispiel: der Kurznachrichtendienst Twitter. An sich als demokratisches Sprachrohr für jedermann angelegt, hätte das Netzwerk die Verbrüderung der Menschheit befördern sollen. Stattdessen leistet es Lagerkämpfen, Pöbeleien, Radikalisierung und Fake News Vorschub.

Wenden wir uns lieber einem schönen Beispiel für unverhoffte Karrieren zu - und damit dem Saxofon. Wäre es nach seinem Erfinder Adolphe Sax gegangen, hätte das Horn mit den vielen Klappen ab zirka 1850 im Orchester Einzug gehalten. Doch dort stieß es auf taube Ohren, wurde stattdessen später im Jazz heimisch und avancierte über die Jahre zum Parade-Instrument der Improvisationskunst. Mit grandiosen Ergebnissen: Was Genies wie John Coltrane dem Saxofon entlockt haben, lässt den (weitgehenden) Flop des Instruments in der "Ernsten Musik" vergessen.

Aureum Saxophon Quartett Golden Roots (Preiser Records)
Aureum Saxophon Quartett Golden Roots (Preiser Records)

Ein paar Musiker kämpfen allerdings immer noch beherzt für den Einzug des goldenen Rohrs in die Klassik; eine Speerspitze in diesem Kampf bildet das heimische Aureum Saxophon Quartett. Besetzt mit einem Sopran-Saxofon, einem Alt-, Tenor sowie Bariton-Instrument, spannt es mit den Arrangements seiner aktuellen CD einen Bogen durch die Jahrhunderte: Barockes wird hier ebenso dargereicht wie Beethoven und Neue Musik.

Rudolf Buchbinder Soirée de Vienne (Deutsche Grammophon)
Rudolf Buchbinder Soirée de Vienne (Deutsche Grammophon)

Gut: Ob die Saxofonfassung vom Rondo der "Pathétique"-Sonate dem Original den Rang ablaufen wird, steht zu bezweifeln. Dafür gestaltet sich Bachs "Italienisches Konzert" umso vergnüglicher und das Timbre geschmeidig: Wer sich eine jazzige Klang-Kratzigkeit erwartet, den überrascht ein unverhofft softer Sound. Zwei Highlights des Albums stammen aus der Gegenwart: Zum einen die schräge "Knödelpolka" des Tiroler Freistilkomponisten Christof Dienz mit ihrem heiteren Humpapa, zum anderen Gerald Reschs abwechslungsreiches Stück "Grid": Das verzichtet auf Tonalität, hält das Ohr aber mit rhythmischen Reizen, geschmeidigen Melodiekonturen und einer kleinen Prise Jazz bei der Stange. Ein buntscheckiges Programm, live zu hören am 27. Jänner ab 20 Uhr im Haus der Musik.

"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Christoph Irrgeher.
"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Christoph Irrgeher.

Der Pianist Rudolf Buchbinder, dieser Tage in Israel auf Konzertreise, beschwört auf seinem neuen Album Wienerische Eleganz: Seine "Soiree à Vienne" serviert einiges an Walzerfrohsinn und Klangkonfekten. Eine gleichnamige Konzertparaphrase von Alfred Grünfeld verquirlt gleich zu Beginn Strauß-Melodien zu einer pfiffigen Melange, eine Klavierfassung der Pizzicato-Polka geizt wenig später auch nicht mit virtuosem Ohrenfutter.

Buchbinder brilliert auf dem Album allerdings nicht nur als vergnügter Tastentiger, er erweist sich auch als ein feinnerviger Exeget: Die Beethoven-Bagatelle op. 33/5 gestaltet er trocken und doch geistreich, Chopins Fantaisie-Impromptu in cis-Moll erstaunlich leichthändig statt bombastisch, und die vier beliebten Schubert-Impromptus D 899 zeigen unter den Händen des pianistischen Wien-Botschafters Sinn für ein klassisches Ebenmaß, doch auch immer wieder Mut zu einem inbrünstigen, aufgerauten Klangbild. Ein kulinarisches, aber auch hochgradig könnerhaftes Album.