Anton Bruckners Sechste Sinfonie ist seine eigentümlichste und, neben der Zweiten, unbeliebteste. Irgendwie scheint sie kein "echter Bruckner" zu sein: Die helle, unfeierliche A-Dur-Grundtonart, die Leichtigkeit der Thematik, das fast vollständige Fehlen der blechgepanzerten Choräle. Alles scheint in dieser Sechsten gelenkiger Rhythmus und melodisches Strömen, mehr intellektuell als ekstatisch, eine Musik zum wachen Zuhören, nicht zum Versinken in weihrauchbenebelte Träumerei.

Der französische Dirigent Rémy Ballot, Schüler des Bruckner-Apostels Sergiu Celibidache, führt mit einer Aufnahme dieser Sechsten seinen Bruckner-Zyklus fort. Wieder leitet er das Oberösterreichische Jugendsinfonieorchester, das zwar, gerade in einem Werk, bei dem alles genau durchhörbar sein will, an seine Grenzen stößt, doch letzten Endes mit einem hellen, kantig frischen Klangbild überzeugt.
Ballot spürt der Einmaligkeit des Werks im Bruckner-Kanon nach, er versucht weniger, Weihe hinein-, als Lebenslust herauszulesen. So gelingt ihm eine pulsierende, farbenfrohe Interpretation mit einem ungeheuer starken Finale.
Anton Bruckner: Sechste Sinfonie. Gramola, 1 CD, ca. 20 Euro.