Das Echo spricht

Deutsch
(cai) Skulpturen sind ja in der Regel dreidimensional. Und wenn sie flach an der Wand picken? Sind sie wahrscheinlich vom Lawrence Weiner. Und eindeutig nix für Analphabeten. Aber nicht etwa, weil einem der jeweilige Titel erklären müsste, worum’s da geht, sondern weil der Titel schon das Werk ist und es sich folglich gar nicht um einen Titel handelt.
Sprache als (formbares) Material. Und wenn man die Sprachskulpturen laut vorliest, füllen sie eh den Raum (oder die zwei Räume der Galerie Winter). Der Kopf des Rezipienten ist ebenfalls in 3D. Und in diesem vervollständigt sich das Opus doch erst. Dort wird das Bild quasi gehauen. "Just in time / Zur rechten Zeit" steht auf dem Fenster, während für den Flakturm, in dem das Haus des Meeres drin ist, der Schriftzug "Smashed to pieces (in the still of the night) / Zerschmettert in Stücke (im Frieden der Nacht)" ja bereits abgefahren ist. Bei den Umbauarbeiten hat man ihn durch einen banalen Reim ersetzt: "Erinnern im Innern." Und im Innern der Galerie? Wasser und Feuer.
Wie Echos antworten englische und deutsche Version einander auf gegenüberliegenden Wänden: Die Redensart "All above board" (alles astrein, keiner versteckt sich unter Deck) wird wortwörtlich übersetzt und trotzdem jeder dabei nass: "Alle über Bord." Überall Bedeutungsverschiebungen, die Spannung erzeugen. "Ohtriebn und gwassert": he, Wienerisch! ("Cast adrift upon the surface of the water" sehr frei ins Einheimische übersetzt.) Ist das nicht eigentlich verkehrt herum? Muss man nicht zuerst aufs Wasser, bevor man forttreibt? Und bei so viel Wasser denkt man sowieso automatisch an Bootsflüchtlinge. Kunst kann eben zeitlos und aktuell sein. Und das Feuer? "Spark to flame / Funken zu Flammen." Klingt auch nicht völlig unpolitisch und weltfremd.
Galerie Hubert Winter
(Breite Gasse 17)
Lawrence Weiner, bis 31. August
Di. - Fr.: 11 - 18, Sa.: 11 - 14 Uhr
Grammophon
frisst Hund
(cai) "Hund frisst Grammophon" - das wäre ebenfalls eine Schlagzeile gewesen. "Grammophon frisst Hund" ist allerdings doch um ein Äutzerl sensationeller. Noch dazu, weil es sich um den berühmtesten Hund der Musikindustrie handelt. Nämlich um den, der in diesem ikonischen Logo angeblich "His Master’s Voice" lauscht. Den hat jetzt der Schalltrichter verschluckt.
Viktors Svikis hat diese apokalyptische Horrorvision gehabt, in der obendrein ein beinamputierter Spielzeughase einer Nussknackerarmee den Marsch trommelt. Den Radetzkymarsch. Zumindest ist das Bild nach dieser schmissigen Komposition benannt. Aber ist das überhaupt ein Bild? Betonung auf "ein". Oder sind das viele Bilder auf einmal? Wir leben ja sowieso schon in einer Welt der visuellen Überschwemmung und in der Galerie Michaela Stock reißt nun auch noch eine Bilderflut nach der andern den Blick des Betrachters mit, wobei die Fabulierlust sogar über die Ufer schwappt, also über die Leinwand raushängt. Weil der Lette, der inzwischen in Wien wohnt, zuerst Papierstückln quasi grenzenlos aufkaschiert, bevor er mit Tusche, Kohle und Farbe wild draufloserzählt. Skurrile, surreale Motivcollagen, multiperspektivische Räume voller Zitate aus Pop- und Hoch-Kultur, dem Weltgeschehen, und immer wieder taucht im (eh nicht so nüchternen) "erwachsenen" Realismus verschmitzt die Naivität der Kinderzeichnung auf.
Die wahren Gustostückerln sind freilich die etwas intimeren Blätter, die pointierten Tuschearbeiten, in denen Svikis sich endgültig als origineller Zeichner outet, der technisch was drauf und außerdem Humor hat. Und Selbstironie. (Im Selbstporträt als kopflastiges Strichmaxerl, dessen dürrer Körper den realistisch ausgearbeiteten Künstlerkopf nicht "derschleppt".) Apropos pointiert: Die Pointe ist eine Fahrradpumpe, was ist der Witz? Treffen sich ein Küchenhocker und das Vorderrad eines Fahrrades. Oder eigentlich ist das ohne die Pumpe noch gar kein Witz. Sondern ein Readymade. Von Duchamp. Das allererste (1913). Und bei dem ist offenbar die Luft draußen. Ans "Artometer" kann Svikis seine Zeichnungen jedenfalls getrost anschließen. An sein Messgerät, das feststellen soll, ob etwas Kunst ist, und wenn ja, wie sehr nicht. (Auf einer Skala von "Art" bis "Not Art".)
Galerie Michaela Stock
(Schleifmühlgasse 18)
Viktors Svikis, bis 31. August
Mi. - Fr.: 13 - 18, Sa.: 11 - 15 Uhr