Von 24. Jänner bis 16. März 1969 fand im Wiener Museum für Angewandte Kunst eine Ausstellung mit dem schon damals hübsch reduzierten Titel "Sitzen 69" statt. Das Plakat zeigte eine junge Frau mit Twiggy-Frisur, man sieht ihr Gesicht nicht, sie sitzt zusammengekauert auf einem Holzstuhl wahrscheinlich dänischer Herkunft. Wie der Name schon sagt, ging es nämlich in der Ausstellung um Stühle. Oder, wie der Untertitel es formulierte, "Moderne Tischlersessel und ihre Werkzeichnungen".
In diesem Herbst ruft das MAK diese Ausstellung wieder in Erinnerung. "Sitzen 69 revisited" heißt die Schau, die in einem einzigen Raum eine unterhaltsame Gegenüberstellung macht. Denn anders, als man erwarten würde, sah man im MAK 1969 gar nicht jene Sitzgelegenheiten, die einem heute sofort in den Kopf schießen, wenn man an jenes bunte Plastikjahrzehnt denkt. Ein schönes Beispiel dafür, dass Trends oft in der Zeit, in der sie entstehen, eher nicht so wirken, als würden sie lange überleben. Dass man Jahrzehnte später zum Beispiel für Designs von Verner Panton (der berühmte rundliche Freischwinger aus Plastik in bevorzugt oranger Farbe) sehr viel Geld hinlegen wird müssen, das war damals unvorstellbar.
Sehnsucht Wünschelrute
Die Schau "Sitzen 69" war denn auch ein Statement: Sie wollte die Handwerkskunst in den Vordergrund rücken. Als Hauptvertreter und Galionsfigur galt ihr Josef Frank, der mit seinen Möbeln die Zwischenkriegszeit dominierte und auch viele Kollegen beeinflusste. Und er ist laut Kurator Sebastian Hackenschmidt auch das Verbindungsglied zu den skandinavischen Sitzmöbeln - Frank emigrierte nach Schweden -, die 1969 als das Design präsentiert wurden, das sich aus einer traditionellen Tischlerarbeit entwickeln kann.
Es sind dies Stühle, die aus rein natürlichen Materialien bestehen und die gerade heute wieder sehr beliebt sind: Holz, Rattan, Leder, helle Textilien. Darunter auch ein Sehnsuchtsobjekt für viele Designsammler, die Nr. CH 24 von Hans J. Wegner aus 1950. Wegen der stilisierten Wünschelrute in der Rückenlehne wird er auch "Wishbone Chair" genannt - und er dürfte schon vor Jahrzehnten sehr kostenintensiv gewesen sein.
In der neuen Ausstellung werden nun diesen Stühlen und Sesseln Pendants gegenübergestellt, die man gemeinhin eher mit dem Space-Age-Jahrzehnt in Verbindung bringt. Und auf denen auch die Dame vom Plakat viel passender Platz genommen hätte. Da antworten auf Holz und Rattan dann buntes Plastik und Astronautenmaterial à la Aluminium. Oder ein Sessel, der wie eine aufgeklappte Puderdose aussieht von Peter Ghyczy aus dem Jahr 1968. Schön illustriert wird diese Generationenkluft auch dadurch, dass ein Stuhl, den Norbert Schlesinger für den österreichischen Pavillon der Weltausstellung in Brüssel 1957 kreiert hat, noch bei den traditionellen Arbeiten steht, während der kantige Metall-Polstersessel von Karl Schwanzer nur ein Jahr später wohl schon zu futuristisch war.
Es ist eine Ausstellung für Connaisseure, auch wenn Exponate wie das Sitzobjekt "Toy" mit seinem pinken Plexiglasrahmen auch Durchschnitts-Stuhlnutzer erfreuen. Und dass es den Sitzsack auch schon seit den 60ern gibt, italienischem Design sei Dank, ist auch interessant. Außerdem ist die Schau ein netter Bonus zur am 17. Dezember eröffnenden Ausstellung über Thonet. Da gibt es noch mehr Stühle, auf die man sich nicht setzen darf.