Er war Architekt von etwa 50 Bauwerken, Fassadengestalter, vielseitiger Innenausstatter, nicht nur Möbeldesigner, sondern auch als Entwerfer von Silberkannen, Gläsern, Porzellan und allseits bekannten Dekorstoffen, war er für 200 Unternehmen zwischen der Jahrhundertwende und 1940 tätig: Otto Prutscher (1880-1949). Da er der zweiten Generation nach Josef Hoffmann und Kolo Moser angehörte, wurde das umfassende Werk aus der Wiege des Wiener Jugendstils bis heute selten gewürdigt. Vor 20 Jahren war die letzte Ausstellung in Wien, im MAK ist es überhaupt die erste, obwohl ein Teil des Nachlasses im Museum aufbewahrt wird, konnten erst kürzlich durch das Familienarchiv in Mailand einzelne Objekte identifiziert werden. Dazu kam ein EU-Forschungsprojekt und zu den Schenkungen der Töchter zuletzt ein Konvolut der Familie der Sammlerin Hermi Schedlmayer sowie der 70. Todestag als unmittelbarer Anlass hinzu.
Gültige Entwürfe
Kurator Rainald Franz, für Glas und Keramik im Museum zuständig, aber auch in Sachen Architektur der Jahrhundertwende ein Experte, präsentiert die Entwürfe des Familienarchivs in Mailand gegenüber den exakten Vorzeichnungen des Museumsarchivs: Darauf abgestimmt sind rund 170 Objekte vom Sessel über die berühmte Vitrine der Kunstschau von 1908 bis zu Kamintüren und Palmenkübeln aus getriebenem Eisen.

Die enorme Vielseitigkeit des exakten Zeichners Prutscher, der nur zehn Jahre jünger war als sein Lehrer Hoffmann oder Adolf Loos, und der auch an allen wichtigen Reformbewegungen der Wiener Moderne mitwirkte, ist für die verzögerte Wiederentdeckung sicher mitverantwortlich. Andererseits wird, obwohl sein berühmter Deckelpokal für die Firma Klinkosch von 1922/25 fast noch an Albrecht Dürer erinnert, in der Wiener Silbermanufaktur bis heute nach einigen seiner Entwürfe gearbeitet. Vor allem Kaffeekannen, Service, Pokale und Dosen von Prutscher sind nach wie vor sehr gefragt.
Bekannt von Prutscher ist nicht nur die Fassade des Hauses mit dem aufgelassenen Geschäft Piccini am Naschmarkt, sondern auch der Dekor "Grünlichter" der Firma Backhausen. Leider verloren ist der gekachelte Warmwasserbeckenraum des Dianabades plus Figuren und Möblierung, der auf Fotografien den Nachweis erbringt, dass der Stil Prutschers stark geometrisch war, was nach der Begegnung mit Gustav Klimt und seinem Kreis um 1913/14 nicht verwundert. Ausführend in Sachen Keramikfliesen war im Dianabad die Firma der Gebrüder Schwadron, die Figuren waren von Michael Powolny.
Als zeitlos kann Prutschers Perlglasvase von 1908 in Rotabstufungen für die Glasfirma Johann Loetz Witwe in Tschechien und so manches Stengelglas gelten, doch es gibt auch floral Verspieltes, so das Porzellandesign für Augarten sowie ein Fingerring um 1900. Dieser zeigt noch die Verbindung zur Kunstgewerbeschule, in der der Sohn eines Kunsttischlers ab 1897 neben Architektur, Malen und Zeichnen viele solide Handwerkstechniken erlernte, die er in den Sommermonaten durch eine Maurerlehre und Zimmermannspraxis ergänzte.
Bedeutender Lehrer
Der Alleskönner war demnach bald prädestiniert, selbst Lehrer zu werden: Nach der k. k. Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, wo er als Assistent arbeitete, kam die Krönung, als Hoffmann Prutscher 1909 erfolgreich zum Professor der Kunstgewerbeschule vorschlug. Bis zur Zwangspensionierung 1939 aufgrund der jüdischen Herkunft seiner Frau, leitete Prutscher das offene Entwurfszeichnen für Gewerbetreibende. Im Umfeld der Wiener Werkstätte vermittelte er den Studenten kunstvolles Gestalten zur handwerklichen Perfektion - wie etwa an der Loetz-Vase auf hoher Blumensäule aus Holz, nebst Metall- und Glasapplikationen mit vier Einzelgläsern zu erkennen. Das unausgesprochene Motto "Mehr Skulptur als Dekor" gilt auch für Uhrengehäuse.
In der kommenden Ausstellung über die Bugholzfirma Thonet ist Prutschers Fauteuil "Morris" von 1905/10 zu erwarten, ein würdiger Vorläufer des allseits beliebten Teak-Deckchairs, allerdings mit Rattangeflecht.