Wer das eine oder andere Design-Magazin in den vergangenen Jahren in die Hand genommen hat, der kennt unweigerlich den Namen Richard Neutra. Schöne, entspannte Menschen wohnen mit geschmackvoller Möblierung in den Häusern dieses Architekten, die so geschmeidig in den anhaltenden Hype um den Midcentury-Stil passen. Immer scheint die Sonne, und die Wüste der US-Westküste zeigt sich durch die großzügigen Fensterfronten von ihrer schönsten, sukkulentenreichen Seite. Tatsächlich hat Richard Neutra mit seinen Häusern eine heute als sehr charakteristisch kalifornisch angesehene Bauweise geschaffen - und das, obwohl er ein Österreicher war.
Oder vielleicht auch, weil er einer war. Genauer gesagt, ein Wiener. Das Wien Museum würdigt den 1892 geborenen Architekten in einer neuen Ausstellung, in der nicht nur die düstere Wohnung mit den behäbigen Möbeln seiner Kindheit in Wien und der üppige Dekor der Gründerzeit als Auslöser für seinen tiefen Wunsch zur Vereinfachung ausgemacht wird, sondern auch seine Beschäftigung mit Adolf Loos und seinem großen Idol Otto Wagner. Der war Richard Neutras Jugendheld, er war ihm "Herkules, Achill und Buffalo Bill zugleich". Schon früh faszinierte Neutra Amerika und seine moderne Architektur.

Versöhnung mit der Natur
Nach dem Einsatz im Ersten Weltkrieg in Bosnien-Herzegowina (wo er sein erstes Haus baute, einen Teepavillon, der in seiner Simplizität schon an seine späteren Arbeiten erinnert), Malaria-Infektion, Spanischer Grippe und der Erkenntnis, dass im Zwischenkriegs-Österreich die beruflichen Chancen rar gesät waren, schaffte Neutra 1923 die ersehnte Auswanderung in die USA.
Dort erhoffte er sich, seine Theorie vom Biorealismus, eine Art bauliche Versöhnung zwischen Natur und Mensch, durchzusetzen. 1929 wurde er mit dem Lovell Health House in den Hollywood Hills international bekannt. In den folgenden Jahren baute Neutra unermüdlich an der "kalifornischen Moderne". Dabei ließ er sich nicht nur von japanischer minimalistischer Ästhetik inspirieren, sondern auch von sozialen Überlegungen: Die Kuratoren Andreas Nierhaus und David Schreyer befassten sich vor allem mit seinen kleinen Häusern, die für die Mittelschicht erschwinglich waren. Das war natürlich ab einem bestimmten Zeitpunkt in den USA verdächtig: Nicht wenige der Bewohner dieser Häuser wurden in der McCarthy-Ära wegen des Verdachts auf Kommunismus verhört, erzählt Nierhaus. Die beiden besuchten 80 Häuser Neutras und interviewten die Besitzer. Eine Landkarte, die eine ganze Wand einnimmt, zeigt, wie ausufernd Neutras Tätigkeit in Kalifornien war.
Biografische Souvenirs sind im MUSA in chronologisch nummerierten Vitrinentischen in der Raummitte zu erkunden. Die Fotos, die Schreyer von den Häusern gemacht hat, sind an der Wand an leichten Holzrahmenkonstruktionen angebracht, die an Neutras Baustil erinnern. Interessant ist der Vergleich mit den "historischen" Fotos von Julius Shulman, der die Häuser kurz nach der Fertigstellung abgelichtet hat. Damals standen sie tatsächlich in einer kargen Wüste, die heutigen Ansichten, in denen die klaren weißen Kanten von hartnäckigem Grün umrahmt werden, entsprechen jetzt endlich der naturnahen Vision, die Neutra hatte.
Vor Abriss nicht geschützt
Obwohl die Gebäude einst als leistbares Wohnen galten, sind sie heute Luxus. Wer noch vor dem Hype zugriff, wurde für verrückt gehalten, etwa Schauspielerin Kelly Lynch, die das Oyler House kaufte, eine flache weiße Schuhschachtel vor dem majestätischen Hintergrund der Sierra Nevada. Trotz ihrer architekturgeschichtlichen Bedeutung sind die Häuser nicht vor Abriss gefeit. Mit so etwas wie Denkmalschutz nimmt man es in den USA nicht so genau. Das liegt auch daran, das Neutra den modernen Bequemlichkeitsansprüchen in seiner pionierhaften Nachhaltigkeit nicht genügt: Terrassen und Wohnräume, die sich durch riesige Glastüren in einen Outdoorbereich verwandeln, werden kaum mehr genützt - Klimaanlagen sind beliebter.
Dabei kommt ein weiteres Merkmal von Neutras Häusern auch heutigen Anti-Konsum-Bestrebungen entgegen. Es ist nicht nur ästhetisch nicht vorgesehen, dass Krimskrams und Kleinmöbel herumstehen, es ist auch mitunter schlicht kein Platz, wie die Besitzer eines 83-Quadratmeter-Hauses erzählen. Ein Artikel aus dem "Time Magazine", das Neutra 1949 aufs Cover hob, berichtet launig, dass Neutra da durchaus charmant übergriffig werden konnte. Ein Paar hatte in einem seiner Häuser einen kitschigen Sessel aufgestellt. Neutra zeigte mit seinem Gehstock drauf und meinte trocken: "Überzeugt mich nicht."