Beim Bau der niederösterreichischen Landesgalerie in Krems hat man nämlich unter anderem auch uralte Nägel ausgegraben, und diese minimalistischen, freilich von den Jahrhunderten sehr individuell "nachbearbeiteten" Formen lässt die 1963 in Innsbruck geborene Künstlerin nun verhalten melodisch auf "Notenlinien" fallen. Tuscheschwarze "Schatten der Vergangenheit" quasi. Als Eröffnungsperformance hätte eine junge Stepptänzerin die Kompositionen eigentlich live interpretieren und die ehernen Noten also mit dem Metall an ihren Schuhsohlen zum Klingen bringen sollen, hätte die Gegenwart im wahrsten Sinne des Wortes in einen anregenden Dialog mit den archäologischen Fundstücken "treten" sollen, doch: Corona – keine Vernissage. Na ja, wird eben der BESUCHER zum Performer und kriegt es vermutlich nicht einmal mit, folgt dem subtilen Leitsystem, den diskreten Linien, die sich unscheinbar zu dritt an der Wand entlangdrücken und die er womöglich ebenfalls nicht bemerkt, aber trotzdem mit dem Rhythmus seiner Schritte begleitet, bis ihn ein bodennah aufgestellter Spiegel mit der eigenen Beinarbeit konfrontiert. Raum, Zeit, Bewegung. Das Performative ist überhaupt integraler Bestandteil von Dertnigs Kunst. Ob unterschwellig oder ganz offen. Das ist ihr Gebiet, da kennt sie sich aus, die Leiterin des Fachbereichs Performative Kunst an der Akademie der bildenden Künste in Wien.
Und was gibts im obskuren fensterlosen Kammerl nebenan zu sehen? Nichts. Konkret: ein NEUES Nichts. Eine Leuchtschrift (Dertnigs Handschrift) brennt dort der Dunkelheit ihre ziemlich nihilistische Botschaft ein: "a new nothing." Jetzt, wo wir im "neuen Normal" angekommen sind, liest sich das plötzlich gar nimmer so ironisch. Irgendwer hat einmal gesagt: "Wenn das Nichts nicht nichtet, macht das auch nichts." Doch hier nichtet es ja, und das macht was. Eine Ausstellung, die Hand und Fuß hat. Die Hand der Künstlerin und die Füße des Betrachters.