Worauf die Leute halt so stehen. Auf ihren Füßen? Auch. Und auf die Füße anderer. Letzteres tun die Fußfetischisten. Und die sind in der Galerie LAYR genau richtig. (Sobald man wieder rein darf. Nach dem Lockdown. Und bis dahin: www.emanuellayr.com.) Pferdeliebhaber kommen bei Lena Henke sowieso voll auf ihre Rechnung. Die werden wohl kaum der Versuchung widerstehen können, die Hengste in Lederhosen zu streicheln. (Oder sind’s dominante Stuten?)

Zur Einstimmung hat der Pressetext eine voyeuristisch homoerotische Vision. Von Ludwig II., "der für immer wie Viscontis Helmut Berger aussieht", halbnackten Soldaten, deren Pferden, Leopold von Sacher-Masoch (dem Namensgeber einer sexuellen Vorliebe, bei der die Sachertorte, wohlgemerkt, eher KEINE Rolle spielt) und von jeder Menge Schweiß. (Fußschweiß? Nicht nur.) "Babysteps into Masochism" heißt die heiße Ausstellung der deutschen Künstlerin, diese sinnliche Annäherung an die lustvolle Unterwerfung. Babyschritte? Aber mit ausgewachsenen Füßen (und Hufen), bitte.

Aschenputtels Stiefbrüder

Henke hat nämlich Männer gebeten, sich gleich ZWEI Kondome überzuziehen. Na ja, über jeden Fuß eines. (He, ein bissl wie im Märchen vom Aschenputtel. Bloß mit Gummi.) Um die männlichen (oder androgynen) Körperteile in den engen, einschneidenden, die Zehen quetschenden Latexsocken nachher in Schwarzweiß abzulichten. Auf die Größe kommt es trotzdem an. Erstens ist einem das Präservativ bei aller Dehnbarkeit gerissen und zweitens bläst Henke ihre intimen Fotos auf über zwei Meter auf. Und wie lautet der TITEL dieser imposanten, etwas verstörenden Serie? Nicht "Cinderella’s Stepbrothers". Eh nicht. Sondern "Organic Architecture". Der Fuß als architektonisches Maß? Bei den beiden Stufen, die in der Galerie zu überwinden sind, bestimmt.

Das Kondom ist zu klein (oder sind die Fuße zu groß?): "Organic Architecture IV" von Lena Henke. 
- © Maximilian Anelli-Monti / Lena Henke und LAYR, Vienna

Das Kondom ist zu klein (oder sind die Fuße zu groß?): "Organic Architecture IV" von Lena Henke.

- © Maximilian Anelli-Monti / Lena Henke und LAYR, Vienna

Latex und Leder. Pferdeleder. Und das ist auf KEINEM Foto drauf, das ist echt. Und gehört zweifellos zum dominanten Teil dieses SM-Rollenspiels. Andererseits sind die u-förmigen, zweieinhalb Meter hohen Bögen, die damit hauteng überzogen sind und breitbeinig aus Reiterstiefeln mit Hufen wachsen, mit Riemen ans Gewölbe gefesselt. An überdimensionierte Krocket-Tore erinnern sie. Beim Durchschreiten fühlt man sich plötzlich geschrumpft wie Alice im Wunderland, nachdem sie das "Trink mich!"-Flascherl geleert hat. Regelrecht "erniedrigt" wird man von der Kunst. Klein gemacht. Muss sich ihr ergeben. (Oder man marschiert einfach außen herum.) Zuerst passiert man das "YOU’RE save"-Tor, im Anschluss das "I’M save"-Tor und hat am Ende ein Andachtsbild der Submission vor sich. Jemand, der devot auf dem Bauch liegt, bietet einem die kitzligen Fußsohlen mit glossig glänzendem Safer-Sex-Firniss dar. Genauso gut könnten das freilich Macho-Füße sein. Potenzprotze.

Im Seerosenteich spielt sich’s ab

Und die fröhlich bunten, vermeintlich harmlosen Tartes in sexy Farben an den Wänden? Machen die einen wieder groß wie der "Iss mich"-Kuchen im Wunderland? Sind die das Gegenmittel? I wo. Die ziehen einen noch tiefer in diese Welt der Begierden und Machtverhältnisse hinein. Wie Tortendiagramme sind die runden Keramikkuchen in Stückerln zerschnitten, denen Begriffe zugeordnet werden. "Bash" (orange), "Bond" (violett) und "Zoo" (grün) beispielsweise. Hm. Ein kleines oranges Stück für die, die gern geschlagen werden, ein violettes für die, die auf Fesseln abfahren, und den großen grünen Rest kriegen die, die lieber in den Zoo gehen? Womöglich in den Streichelzoo? Und wenn Brother (rot) und Sister (silbern) halbe-halbe machen, sich die Tarte geschwisterlich teilen? Ein Plädoyer für die Gleichberechtigung oder irgendwas mit Inzest? Der Kuchen selbst ist ambivalent. Weil er in Wahrheit überhaupt keiner IST. Kein Kuchen. Diese "Wandteller" stellen Seerosenblätter dar. Und die schwimmen bekanntlich auf stillen Wassern, die es ja angeblich in sich haben.

 Lange Hörner hat Lena Henkes poppiger Stierschädel aus Fiberglas ("Bull Run"). 
  
- © Maximilian Anelli-Monti / Lena Henke und LAYR, Vienna

 Lange Hörner hat Lena Henkes poppiger Stierschädel aus Fiberglas ("Bull Run").

 

- © Maximilian Anelli-Monti / Lena Henke und LAYR, Vienna

Eindeutig ist auch der Stierschädel aus Fiberglas nicht, der einen die ganze Zeit mit seinen leeren Augen anstarrt. Ein Götzenbild der Männlichkeit? (Das erwachsen gewordene Goldene Kalb in poppigem Lila.) Eine feministische Trophäe? Immerhin hat Georgia O’Keeffe ebenfalls ein paar von diesen gehörnten Köpfen gemalt (und eben nicht lediglich erotische Blumenstillleben). Und wenn man die Farben ihres berühmtesten Exemplars zusammenmischt (Rot, Weiß, Blau), kommt die Farbe von Henkes "Bull" heraus. Helles Violett. Ein Zufall? Vermutlich. Arbeiten von animalischer Sinnlichkeit, die der Lust definitiv näher sind als der Grausamkeit.