Mit einer halbkreisförmigen Wand und kreisförmigem grünen Teppich davor bekommt der Hauptraum der Secession eine neue begehbare Bühnensituation; zum Lagern am Boden laden Pölster ein, auf denen Protest-Slogans zu Klima, Geschlechtertoleranz, Tier- und Friedensschutz zu lesen sind. Dominique Gonzalez-Foerster, 1965 in Straßburg geboren und in Paris lebend, fiel bereits seit den 1990er Jahren auf mehreren Biennalen in Venedig mit Videos auf, war auch in Kassel bei der documenta 11, 2002, vertreten und wechselte dann zu vielschichtigen Environments wie hier mit "Volcanic Excursion (A Vison)" einer Diorama-artige Collage von 24 Meter mal 5 Meter Höhe mit etwa 235 Figuren. Diese haben von etwa 1900 bis heute gelebt, in Filmen mitgespielt, getanzt, geschrieben, Musik gemacht, waren politisch tätig oder sind es noch, sie werden begleitet von Tieren, Aliens und Comic-Figuren in einer Landschaft mit einem ausbrechenden isländischen Vulkan (Fagradsfjall), und kommen uns als altbekannte Schwarzweiß-Fotografien, Filmstills oder Malerei entgegen.

Klimt und Kinski

Drei historische Werke der Kunstgeschichte tauchen visionär hinter diesem futuristisch-utopischen Dschungel-Fest auf, das auch ein Protestaufmarsch mit mehreren Anliegen ist: die erste Referenz bringt Gonzalez-Foerster, verwandelt in die drei Gorgonen aus dem "Beethoven-Fries" Gustav Klimt entgegen, wie sie auch andere Berühmtheiten performativ darstellt, dabei Bob Dylan, Edgar Allan Poe, Franz Kafka, Sarah Bernhardt oder Klaus Kinski als "Fitzcarraldo" in Werner Herzogs Film. Klimt selber ist mit Emilie Flöge zugegen und mittig wird sein bedrohliches Gorilla-Monster "Typhoeus" zum Sprechpult für den 2014 verstorbenen Transgenderaktivisten Leslie Feinberg. Neben ihm kommt mit Achille Mbembe einer der wichtigsten Stimmen der aktuell brodelnden postkolonialen Debatte als nachfolgender Sprecher in Frage.

Die Protestkultur vertraten sehr früh der mexikanische Maler Diego Rivera und seine Frau Frida Kahlo, die den flüchtigen Leo Trotzki beherbergten. Riveras großes Wandbild "Sueño de una tarde dominical en la Alameda Central" 1946/47 kritisiert die bürgerliche Dekadenz unmittelbar vor der Revolution in Mexiko 1910 mit realen und fiktiven Persönlichkeiten. Auch mit dabei in der Masse er selbst und seine Frau. Als Traumvision in Zeiten von Corona, sogar mit Arzt und Pflegerin, versucht Gonzalez-Foerster die Katastrophen unserer Tage anzusprechen, wobei ähnlich durch die Zeiten gewürfelte Persönlichkeiten mit ihr selbst auftreten, die einen persönlichen Kosmos für uns aber erkennbar und erweiterbar machen. Auch aus Österreich treten einige bekannte Gesichter auf, dabei die Kuratorin Bettina Spörr, Valie Export, Olga Neuwirth, Jakob Lena Knebl, Ashley Hans Scheirl, Romy Schneider und Helmut Berger (als Kaiserin Sisi und König Ludwig II).

Pop und Politik

Berühmte Schauspieler wie Marlene Dietrich, Dichter wie Poe oder Arthur Rimbaud und Musiker wie Dylan sind bereits Protagonisten auf einem berühmten Plattencover der Pop-Geschichte, entworfen 1967 von Peter Blake für die Beatles: "Sgt. Pepper’s Lonley Hearts Club Band". Diese Collage mit Persönlichkeiten von Karl Marx bis Marlene Dietrich bezog damals auch die Wachsfiguren Madame Tussaud’s in ein fröhliches Tropenszenario mit ein. Pop-Geschichte mit Fantasiewesen, aber auch politischen Realitäten, gestaltet mit ästhetischem Überfluss einer bunten Menge nebst Kolibris, Lamas, Hunden, einem Shrimp namens Melanie und grauem Wiedererkennungseffekt bei Virginia Woolfe, Isodora Duncan, Rosa Luxemburg, vorne allen voran aber Greta Thunberg mit Transparent für den Klimastreik. Die Protestmärsche in Paris hatten die Isolation der Corona-Zeit für Gonzalez-Foerster positiv unterbrochen, nun unterbricht sie unsere Sicht auf die Secession mit einem neuen Blick auf Transgendern seit Marcel Duchamp in Rrose Sélavy und statt Carl Gustav Jung (am Beatles-Cover) ist bei ihr Sabina Spielrein vertreten und auch sonst konsequent die Frauen in der Mehrheit.