Für den Maler Hubert Scheibl wurde die Zeit der Pandemie eine intensive Reise auf der Leinwand voller Inspirationen; seine neuen großformatigen Serien umspannen viele Themen, ein weites Ausholen in die Malereigeschichte bis zurück zu den frühen Höhlenmalereien.

Spannend, dass auch seit einigen Jahren parallel Skulpturen entstehen, die Holz, Karton, Papier, Ton und Naturmaterialien verbinden, zuweilen sind es Wurzeln und Vogelnestern nahe Gebilde, auf denen der Kopf einer Echse skelettiert erscheint, daneben auch Gebilde, die an Organe wie Lungenflügel und ihr Netz von Blutkreisläufen erinnern. Nicht selten sind mit chinesischem Druckpapier verpackte Elemente an einer Mittelachse montiert; diese plastischen Ergänzungen zu Zeichnung und Ölmalerei berühren das Denken über die Natur in Zeiten der Umweltkrise, sind aber doch sehr eigenwillige Objekte, vor allem wenn die Astverzweigungen in gebrauchte Pinsel übergehen und Natur und Kunst ironisch eine Einheit bilden.

Das Denken hinterfragen

Scheibl betont die Hinterfragung seines malerischen Denkens, der anhaltend experimentellen Anordnungsreihen in den großen Leinwänden, für die er seit Jahrzehnten über Österreich hinaus bekannt ist. Eine frühe Serie aus den 1990er Jahren ist im tieferen Raum neben der Pfeilerhalle in einer Art zweiten kontemplativen Kapellensituation der bekannten Rothko-Chapel in Houston montiert: Die Gruppe quadratischer Leinwände in vielen Farbklängen und Schichten spiegelt nicht nur Raum und Licht in besonderer Weise wider, sie zeigt auch die Überzeugung des Malers, dass Farbe das größte Kommunikationsmodell der Erde ist.

Die spätere Serie "My Private B." setzt sich mit den wilden Pinselstrichen und auf die Leinwand geschleuderten Farbflecken von Francis Bacon auseinander. Daneben wird in den "Ones" der breite Pinselzug zum abstrakten Vogel mit Schwingen.

Die "Cage Painting" Serie von 2012 bis 2020 nimmt der Farbmaterie durch Kratzen oder den Umgang mit der Rakel, aber auch der Spachtel etwas weg, verwischt, macht den Zufall zum heimlichen Beherrscher der Komposition. In den Papierarbeiten "Talking Heads" oder der über zwölf Meter langen Rolle "Itamaraca", die in Brasilien entstand, wie im Zyklus "Plants and Murders" sind jene kleinen Bausteine des Lebens, auch Viren und Bakterien, durch Eindrücke auf Reisen mit Bleistift, Kohle, Aquarell, zuweilen Gouache festgehalten. Sie sind mit Ausnahme eines Buches mit Varianten der "Einzeller auf Reisen" nur in Bewegung zu erfassen.

Das gilt auch für die beiden rezenten monumentalen Formate "Steps of Evolution", in denen Scheibl Naturelemente aus einer weißen vorhangartigen Membran der Ölfarbe herausholt, wie es sicher kein anderer vermag - die Erinnerung an die Motive der Steinzeitmalerei in den Höhlen als ein Visualisieren von Wirklichkeiten in sehsüchtiger Erwartung großer Tierherden, die aus den Schichten herausgekratzt werden müssen, damit sie später erscheinen, ist da sicher angebracht.

Poetische Romantik

Poetisch und romantisch sind die beiden Gemälde, die sich mit dem Kalben der Gletscher und der Erderwärmung auseinandersetzen, im Wechsel von glatter und pastoser blauer Farbmaterie kommt mit dem vermeintlichen Eisberg in Blau natürlich Caspar David Friedrichs "Gescheiterte Hoffnung" ins kunsthistorisch ausgerichtete Gedächtnis, doch die Variante von 2017/18 zeigt eine neue Malweise im Umgang mit Öllasuren, abgesehen von einer Zungenform in hellem Silberton zwischen Schleier und Gerinnung. Diese neue Technik wendet der Maler auch im Großformat "Euglena" und der zugehörigen kosmisch wie apokalyptisch anmutenden Serie an. Viel Neues ist hier zu finden in den zwischen Kalkül und Intuition oszillierenden abstrakten Gestaltungen und Scheibls intensivem Nachdenken über Malerei - auch in all ihren theoretischen Facetten bis zurück zu Leonardos Anregung von Mauern und Wasserlacken.