Der Schweizer Künstler Thomas Hirschhorn hat für den steirischen herbst die Installation "Simone Weil Memorial" entworfen. Mit Fotos, Textausschnitten und Zuneigungsbezeugungen würdigt er die französische Autorin und Aktivistin auf dem Grazer Esperantoplatz. Den Weg über den Briefkasten nahm der spanische Schriftsteller Paul B. Preciado mit seinem Text "An alle, die ich lieben werde", der das Publikum als Postwurfsendung erreichen soll.
Auf dem kleinen Platz vor der Grazer Arbeiterkammer ist das Werk als bunter Hingucker aufgebaut. Ganz im Stil der Erinnerungsplätze, wenn jemand einen Unfall hatte oder ermordet wurde, ist es eine Skulptur aus Papier, Fotos und auch Plüschtieren geworden. Simone Weil war nicht nur Aktivistin und Philosophin, ihre Hinwendung zu mystischen Dingen und der Religion ließen sie in den Augen ihrer Bewunderer nach ihrem Tod fast zu einer Heiligen werden, und auch das spiegelt sich in dieser Installation wider.
"I love you"
Eine Girlande mit roten Herzen überspannt das Kunstwerk und wickelt sich auch über eine - immer dort befindliche - Steinskulptur. Davor stehen Papptafeln unterschiedlicher Größe mit Fotos von Weil. "Danke Simone!" ist da zu lesen. Ein Stoff-Elch hält eine Tafel "Mit Kraft", ein großes rotes Seidenherz verkündet schlicht "I love you". Auf große Pappendeckeltafeln, die als Wetterschutz mit Plastikfolie überzogen sind, sind Texte aus ihrem Werk "Schwerkraft und Gnade" zu lesen. Jede Menge Plüschtiere in allen Größen, aber auch rote Rosen lassen an die Bekundungen zum Tod von Lady Diana denken. Eine Sitzgruppe und ein Tisch mit Büchern der Französin lädt zum Verweilen und lesen ein. Eine Annäherung an die Aktivistin auf sehr populär-persönlichem Weg.
Im Laufe des Festivals sollten viele Grazerinnen und Grazer einen Brief von Paul B. Preciado in ihrer Post vorfinden. "Meine Nachricht ist eine affektiv-konzeptuelle Operation, die nur zur Realität wird, wenn du sie in einem Akt bewussten Lesens aktivierst", wendet er sich an die Leser und Leserinnen. Er liebe sie nicht für ihr Aussehen, ihre Gesundheit oder ihren Wohlstand, sondern "Ich richte mich an dich als eine lebende, sich stets wandelnde, irreduzible Entität. So will ich dich: Im Wandel", heißt es.
Der Schriftsteller setzt sich in seinen Arbeiten mit Themen wie Gender, Pornografie, Architektur und Sexualität auseinander. In seinem Buch "Testo Junkie" (2008) beschrieb er die eigene Transition, in dem er das Verhältnis von Technologie und der Konstruktion von Geschlecht untersucht. Diese Gedanken spielen auch in seinen herbst-Text hinein: "Ich liebe dich in meinem Wesen vor der Geschlechtertrennung bei der Geburt, die mir Sexus und gender zuwies, vor der Kodifizierung meiner Hautfarbe durch die Logik von Kolonialgeschichte, Rassismus, Industriegesellschaft. Ich liebe dich vor und nach dem kolonialistischen Kapitalismus."
Die Installation von Thomas Hirschhorn ist bis 10. Oktober zu sehen, der Brief von Preciado soll vorwiegend in der zweiten Festivalwoche verteilt werden. (apa)