Auch wenn die theoretische Seite in der Arbeit von Ines Doujak immer stark vom Politischen geprägt ist und viele Wissenschaften mit einbezieht, bleibt ein hoher künstlerischer Anspruch, der auch die Personale "Geistervölker" der Kunsthalle vor moralischem Zeigefinger schützt. Gute Kunst greift immer von gegenwärtiger postkolonialer und kapitalismuskritischer Debatte zurück bis zu ihren Anfängen weltweit: Die Archäologie macht sich schon im Titel bemerkbar.

Geistervölker sind jene, die zwar Spuren hinterlassen haben, deren Kultur aber verschwunden ist. Die Tiere, auf die der Mensch seit jeher die Schuld an Pandemien abschiebt, auch wenn er diese selbst durch Lebensweise und zerstörerische Weltwirtschaft auslöst, sind hier die Stars in vielen multimedialen Arbeiten: Ratten, Fliegen, Fledermäuse, Katzen und Hyänen, aber auch Pflanzenfragmente, genommen aus Lexika des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Ausstellungsansicht: Ines Doujak. Geistervölker, Kunsthalle Wien 2021. 
- © Markus Woergoetter

Ausstellungsansicht: Ines Doujak. Geistervölker, Kunsthalle Wien 2021.

- © Markus Woergoetter

Mit Ironie gegen die Krise

Der Mensch, gezeichnet von Hautkrankheiten (aus medizinischen Lehrbüchern) kombiniert sich beidem nur scheinbar harmonisch, die Collagen bleiben Möglichkeitssinn einer Symbiose. Dabei bedient sich Doujak eines Urbildes von Mischwesen, des sich verkleidenden Schamanen (genau genommen einer Schamanin); ähnlich der Höhlenmalerei, hebt sie aber das aufheiternd Groteske der Verkleidung mit bunten Farben hervor. Ironie ist ihr Konzept gegen das Depressive in der Krise,

Ines Doujak, Geistervölker (2021), Courtesy die Künstlerin 
- © Ines Doujak

Ines Doujak, Geistervölker (2021), Courtesy die Künstlerin

- © Ines Doujak

Märchen wie "Der Rattenfänger von Hameln" werden als partizipative und performative Elemente hinzugezogen. Ähnlich wie Hieronymus Bosch, der die erste Phase eines zerstörerischen Kapitalismus in der frühen Neuzeit fantastisch in Bilder bannte, ist auch hier Schönheit und Hässlichkeit bis zum Ekligen gepaart. Die aus Papiermaché realistisch geformten Menschenfiguren sind wie in den Collagen, die im Eingangsbereich der Kunsthalle empfangen, gekennzeichnet von Hautkrankheiten, Auswüchsen und anderen Metamorphosen. Sie zeigen sich auch als flüchtende "Plünder*innen", die sich mit neuen Kleidern, Fellmützen und Koffern dem Publikum entgegenstürzen.

Neben zwei Filmecken, besonderen Wand- und Bodenarbeiten sowie textilen und skulpturalen Stationen gibt es einen Truck, voll von geisterhaften Mischskulpturen, in den man einsteigen und einen Podcast hören kann zum Thema "Impfung", ein zweiter handelt von "Fleisch", ein dritter von "Schuldzuweisung", weitere von "Klasse" und "Gespaltener Zunge". Wie die Schau von einem Kuratoren-Team aufgebaut wurde, hat Doujak vier Filme und fünf Podcasts in Kollaboration erstellt.

Jeden Dienstag im Oktober gibt es Live-Performances, bei denen eine mumifiziert anmutende vergrößerte Ratte mit Schraube im Kopf auf Rädern durch das Museumsquartier bis auf die Mariahilfer Straße gezogen wird, um auf Rattenfängerart mit Musik und Reden Menschen in die Ausstellung zu locken, in der ein Podcast gehört und diskutiert werden kann, ein Seminar zur Partisanenkultur ist angeschlossen.

Besonders gestaltete Kunstinseln sind der als Modell aus buntem Verpackungsmaterial an ein nie verwirklichtes utopisches Gebäude der Stalinära erinnernde Turm mit einem Astronauten an der Spitze und einem seitlich einschlagenden Kampfflieger. Danach die "Boutique" mit Doujaks besonderen Stoffmustern, die wie der Vorhang an der Rückwand des Saales entweder tote Fliegen oder Wanderarbeiter in unterirdischen Höhlen mit Lasten verharmlosend zeigen, aber auch einzelne von Krankheiten befallene Organe oder bunte Viren.

Einige weiß gekalkte kahle Bäume bilden ein "Geisterhaus", es gibt eine Art Nervenzelle als Bodenbild zum Thema "Verzweiflungsökonomien" und viele Sitzmöbel zum Hören der Podcasts und Sehen der Videos - hervorzuheben ist etwa "Mit kaltem und unbewegtem Blick", darin agiert ein Rabe als Protagonist.