Der White Cube (als Synonym für den modernen neutralen Ausstellungsraum) – jetzt noch weißer. Nicht, dass die artmark galerie ein Würfel wäre (auf G’scheit: ein Kubus), aber dafür sind ihre Wände weiß gestrichen. Und die Ausstellung könnte auch kaum weißer sein. Bereits die Einladungskarte ist sehr – weiß. Bis auf diese fünf blassen Wörter, die am unteren Rand auftauchen wie aus einem dichten, blickdichten Nebel: "Stephan", "Fillitz", "visibles", "artmark" und "galerie". Die sind nämlich grau.

Weiß dürfte jedenfalls die Lieblingsfarbe vom Stephan Fillitz sein, der zuerst Goldschmied gelernt und nachher beim Fritz Wotruba an der Akademie der bildenden Künste in Wien Bildhauerei studiert hat und dessen bildhauerisches Material allerdings trotzdem nicht Carrara-Marmor ist, sondern dieser optische Aufheller mit fünf Buchstaben: das Licht. Und weil das formlos ist und keinen Körper hat, gibt er ihm kurzerhand einen. Formt er es. Macht ihm eine Haut aus milchigem Plexiglas. 

Das Licht legt sich hin

Von ihm stammt übrigens das Universum. Nicht das im Weltall draußen, doch immerhin dasjenige auf dem Gebäude der Wiener Urania droben: "The Universe." Diese leuchtende Sphäre. Das Universum ist eine Kugel.

Weißer als weiß sind die Lichtobjekte ("visibles") von Stephan Fillitz. An der Wand: "Laser-Cuts". 
- © artmark galerie, 2021

Weißer als weiß sind die Lichtobjekte ("visibles") von Stephan Fillitz. An der Wand: "Laser-Cuts".

- © artmark galerie, 2021

Und in den ebenerdigen Niederungen der Galerie? Kein romantisches Stimmungslicht, vielmehr ein intellektuelles, das über den Raum meditiert, ihn analysiert, rhythmisiert. Und das weißer ist als jenes in den Leuchtstoffröhren. Kühler. Superkalt. Sich auf einem Sockel beispielsweise als Liegende ausstreckt. Als Waagrechte. Und auf den schlanken Lichtkörper nebenan "zielt", auf die Senkrechte. Den dürren Pfeiler ins Visier nimmt, der zwischen Boden und gewölbte Decke geklemmt ist.

Ungewöhnlich tief hängen Blätter (die sind geradezu "geerdet"), auf denen nix drauf ist, nur was drin: ein Loch. Ein eckiges, viereckiges. Und Löcher sind bekanntlich mit Leere gefüllt. In dem Fall mit konzeptueller Leere. Denn dass die Maße des Quadrats, das entfernt worden und dadurch nun bloß umso vorhandener ist, ziemlich exakt dem Querschnitt des horizontalen und vertikalen Lichtstabs entsprechen, das kann kein Zufall sein. Eh nicht. Das macht aus den Löchern architektonische Statements, Echos (von Raumachsen). 

Hat die Erleuchtung die Form eines Quaders?

Einen sehr schlanken Lichtkörper hat der Stephan Fillitz da zwischen Boden und Decke geklemmt. 
- © artmark galerie, 2021

Einen sehr schlanken Lichtkörper hat der Stephan Fillitz da zwischen Boden und Decke geklemmt.

- © artmark galerie, 2021

Indem also diese winzige quadratische Leere ins weiße Papier geschnitten wird, ist Letzteres paradoxerweise nimmer leer. Genauso wenig wie es die Blätter sind, deren Leere wiederum ein Laser, dieses invasive Zeichengerät, rhythmisch liniert hat. Präzise Ritzzeichnungen, leicht angebrutzelt. Dezent verfärbte Brandwunden.

Über die Leere hat Fillitz irgendwann einmal Folgendes geschrieben: "Leere manifestiert sich in der 360-Grad-Drehung – dort wo 360 Grad zugleich 0 Grad sind – wo das absolute Diesseits absolut jenseitig ist." Über diesen Satz muss ich kurz sinnieren. Im Lotossitz.

Gewissermaßen Zen-Gärten aus Licht und Schatten hat der gebürtige Wiener (Jahrgang 1950), der dem fernöstlichen Denken nicht abgeneigt ist, ebenfalls angelegt. Erneut auf Papier. Hell und Dunkel verfangen sich da in den gekämmten, wellpappigen Strukturen, umringen den letzten Sockel. Und auf diesem? Die Erleuchtung? (Ein spirituelles Licht im handlichen Quader.)

Kontemplative Arbeiten, die sich zu einem stimmigen Ganzen addieren. Zu einer Meditation über den Raum, die Leere und das Unsichtbare. (Oder gerade noch Sichtbare.)