Ein bissl Buntheit kann man schon vertragen – in der grauen Jahreszeit. (Und ein paar Palmen.) Bei Suppan Fine Arts kann man jetzt, wo der Nebel und die Kälte immer hartnäckiger werden, jedenfalls Farbe tanken. Sich außerdem aufwärmen. An den Bildern vom Dénesh Ghyczy (sprich: Gitsi), auf denen es tropisch heiß hergeht. Und in der Galerie hat es zumindest Zimmertemperatur.
Gut, die Natur hat da Hausarrest. Glashausarrest. Die üppige Vegetation, ein gepflegter Dschungel, wuchert unter einem Glassturz. Das Klima draußen kann den (vielfach einst von Pflanzenjägern erbeuteten, aus ihrer ursprünglichen Heimat verschleppten) exotischen Pflanzen also wurscht sein, sie haben eh ihr eigenes, künstliches, genießen den Treibhauseffekt.
Draußen ist es zu gefährlich für die Umwelt
Mit vielschichtiger Leichtigkeit nimmt sich Ghyczy dieser intakten Indoor-Gärten an, die in Zeiten der Erderwärmung einen dezent präapokalyptischen Duft verströmen, ein morbides Endzeitaroma. Muss die Flora bald in Schutzhaft genommen werden (wie die Fauna im Zoo), weil es unter freiem Himmel zu unwirtlich für die Umwelt geworden ist, zu gefährlich? Man sie gegen das Wetter abschirmen muss, um sie zu konservieren?

Der Regen draußen hat das Grüne unter dem Glashimmel nicht nass gemacht: "After the Rain" (Öl und Acryl auf Leinwand, 2021) von Dénesh Ghyczy.
- © Suppan Fine ArtsVor allem die Erhabenheit dieser Orte mit ihrer geradezu sakralen Architektur und das Licht faszinieren ihn, den gebürtigen Deutschen (ein 1970er Jahrgang), der hier Landschaftsmalerei und Interieur zu einer hybriden Gattung verschmilzt und jüngst von Berlin ins niederösterreichische Rohrau übersiedelt ist, aufs Land. ("Österreich ist der perfekte Kompromiss." Nämlich zwischen einem ungarischen Vater, einer deutschen Mutter und einer Kindheit in Holland. Weiters hat er in Amsterdam, Budapest und Brüssel studiert.)

Auch unterm Glasdach ist der Himmel über Neuseeland blau: "Shady Lush" heißt dieser saftige Indoor-Dschungel von Dénesh Ghyczy.
- © Suppan Fine ArtsDie ab und zu von ihm in der fremdländischen Pflanzenwelt ausgesetzten Figuren, die sich der Kontemplation hingeben, der Beschaulichkeit, sind freilich bestenfalls entfernte Verwandte von Caspar David Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer", der auf seinem Gipfel sehnsüchtig ins Weite blickt (der vielleicht berühmteste "Fernseher" der Kunstgeschichte). Weniger romantische Staffage sind sie als ein Maßstab, um die kathedralischen Dimensionen zu verdeutlichen.
Im Tempel die Natur anbeten (oder die Malerei?)
"Temple": das womöglich aufregendste Bild in der Ausstellung. Die einzige Außenansicht. Wobei Außen und Innen, Vorne und Hinten, das Früher und das Später sowieso fulminant miteinander verwachsen, sich die Schichten auflösen in diesem virtuosen Spiel mit Transparenz und blickdichter Opazität, in einer transluziden Gleichzeitigkeit aus barockem Park (den Ghyczy vorher auf diese Leinwand gepinselt hat) und Palmenhaus.
Inspirationsquelle für Letzteres ist übrigens dasjenige aus Adelaide in Australien, das der Künstler zwar nie live gesehen hat, ehe er es in einen "Tempel des Lichts" verwandelt hat, aber dafür sind die architektonischen Teile im 19. Jahrhundert in Bremen fabriziert worden. Quasi ums Eck. (Vergleichsweise.) Überhaupt haben diese imposanten Konstruktionen aus Glas und Stahl eine gewisse universelle Formensprache, könnten überall sein. Sagen nicht viel darüber aus, in welchem Land sie sich befinden. Oder auf welchem Kontinent.

Gleich zwei Prachtstücke auf einmal beherbergt dieses Bild von Dénesh Ghyczy: die Architektur (das Vorbild steht in Adelaide, Australien, herum) und die Malerei (die hängt grad bei Suppan Fine Arts rum). "Temple" (2021).
- © Suppan Fine ArtsIm Wiener Schmetterlingshaus war er dagegen durchaus, der Ghyczy. Und hat gleich einmal einen Baum gefällt, der ihn gestört hat und wahrscheinlich ohnedies nicht echt war. Diesen invasiven Eingriff hat er natürlich nicht realiter vorgenommen. Seine Entwürfe sind meist digital, die Gemälde bereitet er am Computer vor. Nicht, dass er die "Vorlagen" nachher sklavisch abmalen würde. Da bleibt noch Raum für Spontaneität. Und Experimente. Für Erosionseffekte. Sich selbst zu überraschen, indem er Stellen im Bild abklebt und den Malerkrepp oder das Smiley-Pickerl irgendwann wieder abzieht. Das wäre für ihn, wie ein Fenster von einem Adventkalender zu öffnen und zu "kucken, was dahinter ist", meint er. Okay, er hat dieses Dahinter zuvor selber gemalt. Errichtet die durchsichtigen Bauten vorzugsweise auf einem abstrakten Grund, auf selbstgenügsamen Farbgefilden.
Vollendet unfertig
Schier impressionistische Lockerheit paart sich reizvoll mit dem Skizzenhaften, mit der Vorzeichnung, die nicht brav "ausgemalt" wird. Die flüchtige, andeutende Linie tritt vielmehr in einen lebendigen, fruchtbaren Dialog mit der dynamischen malerischen Geste. Edding-Stifte und Pinsel arbeiten gemeinsam an der Ästhetik des Infinito, des unfertigen Zustands als Endresultat. Der Maler mit dem ungarischen Nachnamen beherrscht sichtlich die Kunst, rechtzeitig aufzuhören und das Bild zu signieren, bevor man es vor lauter Malerei nimmer sieht und es nicht mehr atmen kann.

Dénesh Ghyczys "Winter Garden" (2021) ist der ideale Lebensraum für die Pinsel und Zeichenstifte des Künstlers.
- © Suppan Fine ArtsUnd es besteht der dringende Verdacht, dass es sich bei diesen Biosphären gar nicht um Gewächshäuser für Palmen und sonstige tropische und subtropische Pflanzen handelt. Sondern? Um Gewächshäuser für Farben! Die schönsten Grüntöne, kräftiges Rot, Violett, Gelb gedeihen da unter der Glaskuppel. Seufz.