Poetisch umschrieben von Thomas Mann als "wattierte Lautlosigkeit" kann der Schnee auf vielen Wintertourismus-Plakaten zu mondänen Lifestyle-Ikonen werden, auf jeden Fall ist er aber ein ganz alter "Rohstoff für die Kunst", wie ihn Tobias Natter 2009 in einer Ausstellung des Vorarlberger Landesmuseums bezeichnet hat. Seine helle, die Sonne reflektierende Seite haben William Turner und Impressionisten wie Claude Monet für besondere Wahrnehmungsreflexionen selbst während Stürmen in der Malerei hervorgehoben. Die dunkle und mit Frost und Kälte auch psychologisch bedrückende Seite ist bei den Alpenbildern Ferdinand Hodlers, Ernst Ludwig Kirchners oder bei Giovanni Segantini spürbar. Doch am Anfang stand in der Malerei der Blick auf die Jahreszeiten, teils alltäglicher Jahreslauf, teils aber auch im kosmischen Sternenkreis eingeordnet.

Von antiken Beispielen der Malerei haben wir fast nur schriftliche Kunde, auch über Schneebilder in einer fiktiven Bildergalerie in Neapel, über die Philostrat in der römischen Kaiserzeit in seinen "Eikones" berichtet. Da aber auch Nachtstücke in Pompeji überliefert sind, ist anzunehmen, dass Kunstgriffe wie eine weißfleckige Schneelandschaft in der alexandrinischen Malerei bereits möglich waren. Als erste abendländische Darstellung einer solchen Landschaft gilt nach den Fresken im oberitalienischen Adlerturm in Trient die bekannte Buchmalerei "Februar", eine Kalenderminiatur aus den "Très Riches Heures" für den französischen Herzog Jean de Berry, 1411-1416 als Auftrag von den aus den Niederlanden stammenden Brüdern Limburg geschaffen. Das alltägliche Tun der Menschen im Schnee ist hier akribisch erfasst, einschließlich Frieren draußen und Wärmen der Füße am Ofen im Haus. Paul von Limburg (Pol de Limbourg) dürfte Vorbilder in Italien gesehen haben und beeinflusste selbst die nächsten Jahrhunderte in Belgien und den Niederlanden, wo Pieter Bruegel d. Ä. und sein gleichnamiger Sohn große Monatsbilder malten.

Die erste Serie entstand 1564/65 und das Ende des Zyklus bildet das wohl berühmteste Winterbild Europas, die "Jäger im Schnee", zu sehen im Kunsthistorischen Museum in Wien.Ohne direktes Naturvorbild wie an den schroffen Felsen sichtbar, ist es eine allgemeingültige Szene mit vielen formal wie symbolisch aufgeladenen Details, die auch weiter für diese Malerdynastie typisch sind. Die Schneelandschaften des Sohnes setzen das mit einem "Bethlehemitischen Kindermord" in niederländischer Umgebung fort, seine "Winterlandschaft mit Vogelfalle" kurz nach 1600 mischt auch Alltagsgeschehen und spielende Schlittschuhläufer auf den zugefrorenen Kanälen zum Allegorischen. Die dicken Eisschichten waren zurückzuführen auf eine kalte Klimaperiode, die als "Kleine Eiszeit" von damals bis etwa 1850 in die europäische Geschichte eingegangen ist. Dadurch wurde das Winterbild als Spezialthema der Malerei weiterentwickelt. Man malte zwar nicht die Hungersnöte, die durch zu kurze Reifezeit in den nassen Sommern ausgelöst wurden, selten einmal einen "Kriegszug im Winter" wie Gillis I. Mostaert um 1590 (KHM, Wien). Stattdessen ist auch das Schneegestöber zu den vielen menschlichen Tätigkeiten eher ästhetische Zutat wie im Winterbild Lucas van Valckenborch d. Ä. 1586 (KHM, Wien). Neben tiefgründigen Botschaften aus Religion und Mythos etablierte sich die breite Schilderung des Alltags als beliebtes Sujet der Auftraggeber – zu sehen in Ortsansichten und Bergpanoramen von Josse de Momper d. J., in dessen Kompositionen Jan Bruegel d. Ä. die Figuren malte.

William Turner: Schneesturm. 
- © London, Tate Gallery

William Turner: Schneesturm. - © London, Tate Gallery

Der Realismus der niederländischen Maler, teils mit humorvollen Details, setzte sich in England und Frankreich fort, vor allem in schmucklos einfachen, revolutionären Landschaften Gustave Courbets, später ging es darum, wie in den Schneesturmvisionen William Turners, die er als alter Mann aus direkter Erfahrung auf Schiffen am Meer einfing, Phänomene der Wahrnehmung zu schildern: Farbe und Licht traten ihren Siegeszug an bis zu abstrakten Gemälden Paul Klees, bei denen nur der Titel und lyrisches Liniengefüge und Farbstimmungen auf den Schnee anspielen.

Doch schon von den realistischen Winterbildern lohnt sich ein Blick über die europäische Landschaftsmalerei hinaus Richtung Asien und von dort wieder zurück zum europäischen Jugendstil, der die Tradition des farbigen Holzschnitts von dort übernahm. "Japonismus" spiegelt sich bei Vincent van Gogh wie bei James McNeill Whistler wider, aber auch in den Schnee-Postkarten der Wiener Werkstätte für die Weihnachtszeit, etwa dekorativ eingesetzt von Maria Likarz-Strauss, die das Schneegestöber in einer Darstellung des Weihnachtsmanns, der für eine mondäne Dame im Pelzmantel und weißem Pudel den Christbaum trägt.

Das Winterbild in Japan war eine Spezialität des Landschaftsspezialisten Ando Hiroshige (1797–1858), der die Vorlieben seines breiten Publikums für farbige Holzschnitte kannte: Neben Blumen und Nachtlandschaften unter dem Mond war es die verschneite Landschaft seiner Heimat, wobei der Künstler bekannte Ansichten und Orte entlang der Hauptstraße des damaligen Kaiserreiches und in den Bergen auf seinen ständigen Reisen geschaffen hat. In den Holzschnittserien der 1830er Jahre tauchen bei Hiroshige bekannte und stimmungsstarke Schneebilder auf wie "Abendschnee in Kambara" oder "Schwindender Schnee auf dem Hira-Berg", besonders attraktiv ist die "Taikobrücke von Meguro", in der das Schneegestöber ebenso ästhetisch eingesetzt wird wie im Westen. Zu "Der Inokahira-See im Schnee" notierte er über den Schnee, dass er neben Blumen und Mond an bestimmten Orten favorisiertes Motiv war. Sein erst 1857 im Druck erschienener "Seeadler über Jumantsubo" fliegt über einer Schneelandschaft vor Sternenhimmel. Frauen mit Schirmen vor schneebedeckten Häusern mühen sich auf gestelzten Schuhen ab wie Männer in ihren Schiffen, dabei meint man fast, die volkstümlichen japanischen Druckgrafiker hätten die Gemälde der barocken Niederlande gekannt.

Neben dem Realismus hat allerdings die Romantik den Schnee auch mit Katastrophen oder anderen symbolistischen Motiven des Bösen, Kalten und der großen Einsamkeit verbunden: Das "Eismeer" von Caspar David Friedrich heißt auch "Gescheiterte Hoffnung", ein Schiffswrack deutet auf wagemutige Nordpolfahrer hin, wohl aber auch auf Mary Shelleys "Frankenstein", der als zum Leben erweckter Leichnam im ewigen Eis endet. Im sommerlosen Jahr 1816 hatte die Dichterin die Horrorfigur erfunden, ein Vulkanausbruch hatte dies verursacht. Gerhard Gutruf hat 2014 Eismeer und "Wanderer über dem Nebelmeer" in Linolschnitt-Variationen nach großen Meistern paraphrasiert. Die Schneebilder mit Ruinen, Hütten und Hünengräbern Friedrichs sind aber positiver gestimmt als die Interpretationen menschenfeindlicher, schneebedeckter Alpen und zugefrorenen Seen von Ferdinand Hodler und Giovanni Segantini, der mit "Die Strafe der Wollüstigen" (Liverpool, Walker Art Gallery) die winterliche Ansicht seiner Schweizer Umgebung mit der Frauenfeindlichkeit der Zeit zu unheilvollen Visionen von kindertötenden Emanzen erfand.

Edward Munch: Sternennacht, 1922/24. 
- © Munch-Museum Oslo

Edward Munch: Sternennacht, 1922/24.

- © Munch-Museum Oslo

Auf diesem Negativtrip befanden sich auch Oskar Kokoschka oder der Norweger Edward Munch, der viele Schneebilder, passend zu seiner Heimat, verbunden mit der Polarnacht, hinterlassen hat, seine Gemälde aber auch immer wieder dem Schnee draußen aussetzte, um ihre Oberfläche zu verändern. Heiterer ist der Symbolismus der Schneewelt nur bei Franz von Stuck, der einen mythischen Faun mit nacktem Oberkörper in "Verirrt" 1891 im Schnee, ein Bocksbein leidend aus der kalten Masse heben lässt (Belvedere, Wien) oder in Paul Floras im Schnee versinkenden Städten.

Im Jugendstil gibt es aber auch realistische Ausnahmen ohne negativ aufgeladene Bedeutung des Schnees, so hat Carl Moll in seiner Farbholzschnittserie von Wiener Ansichten im Schnee vom Belvedere-Garten bis Grinzing 1905/10 die Sehnsucht der Städter zurück zu einer von der Industriegesellschaft unzerstörten Natur aufgezeigt. Ernst Ludwig Kirchner setzte sich 1915 aus der modernen Großstadt Berlin, auf Grund psychischer Überreizung, ab in die Schweizer Berge und hinterließ die wohl farbenreichsten Schneebilder, die auf Schnee Rosa und Violett changieren lassen. Ganz anders, nämlich mondän auf den neuen Wintersport bezogen, sind die Gemälde von Alfons Walde oder Tamara de Lempicka, die Kitzbühel und Sankt Moritz in den 1930er Jahren mit Schi fahrenden Damen und Herren porträtieren. Nicht von ungefähr hat Walde neben den berühmten in Weiß und Blau kontrastierten Berghängen im Tiefschnee bis ins Obszöne gesteigerte Akte und Aktfotos im Schnee hinterlassen. Am Kunstmarkt konnte er sich mit seinen Gemälden in Höhen aufschwingen, die den magischen Realisten Rudolf Wacker oder Franz Sedlacek mit ihren Schneelandschaften in Stadt und Land versagt blieben.

Der Rohstoff Schnee war nach 1945 weiter Thema der Fotografie, etwa bei Matthias Herrmann oder Fritz Simak, aber auch in den Videoserien der 1960 in Belgrad geborenen Künstlerin Milica Tomić ist der Körperabdruck im tiefen Schnee wichtiges Zeichen im performativen Auftritt "XY Ungelöst" von 1997. Hier geht es um Überleben der Kunst und der Künstlerin in feindlichen politischen Regimen und die Infragestellung ideologischer Bedingungen. Anhand des eingefrorenen Körperabdrucks, eines abwesenden Körpernegativs, soll ein Winterschlaf der Kunst für eine bessere nachnationalistische Zeit in Serbien vermittelt werden.

Ein zweites Beispiel ist die Performance "Home Voodoo", erhalten als Fotoserie, die am 6. Jänner 2004 von Lois und Franziska Weinberger in Stams abgehalten wurde. Dabei ist ein Schneemann Protagonist, denn er personifiziert den Winter und alte Riten der Volkskultur. Dabei wird Walter Benjamins These, dass der Ritualakt erster künstlerischer Ausdruck war, theoretisch verbunden. Der Schneemann bekam eine Pflanzenwurzel auf den Kopf, die mit Hexenriten in Zusammenhang gebracht wird. Neben Rauchen von Zigarren und Kochen von Gewürzen wird auf einem umgedrehten Blumentopf eine rote Christbaumkerze entzündet und das heilige Wasser einer Wallfahrt in den Schnee gegossen.