Von allein wäre ich nie draufgekommen, dass diese Bilder von ihm sind. Doch auf der Einladungskarte, da stehts: Herbert Brandl. Der stellt also tatsächlich in der Dependance der Galerie nächst St. Stephan aus. In der Domgasse.
Als Maler war er ja schon bisher ein Naturbursch. Wobei seine Malerei selber naturgewaltig ist, die Landschaft mit sich reißt in abstraktere Gefilde (oder in einen expressiven Realismus). Berge und Blumen, das einschüchternd Monumentale und das Pflückbare. Keine Berge diesmal freilich, keine Blumen. Dafür Bäume, die irgendwie anders aussehen. Zumindest nicht wie welche vom Brandl.
Sie werden erwachsen, aber nicht groß
Vielleicht weil man denen, die ihm hier Modell gestanden sind, üblicherweise nicht draußen, in freier Wildbahn, begegnet: Bonsais. Die sammelt er nämlich, der 1959 in Graz geborene Künstler, kennt sie persönlich, diese domestizierten, stubenreinen Gewächse, die mit kontemplativer Hingabe und nicht mit der groben Kettensäge klein gehalten und in Form gebracht werden. Und die in einem Gefäß aufgezogen werden. (Bonsai: vom japanischen "bon" = Schale, und "sai" = Pflanze. Ergo: Pflanze in der Schale.) Die werden erwachsen, aber eben nicht groß.

Kleiner Baum ganz groß: Herbert Brandl pflanzt einen Bonsai auf seine Leinwand.
- © Markus Woergoetter, Courtesy: Galerie nächst St. Stephan Rosemarie SchwarzwälderDas Töpfchen, auf das sie quasi gehen (mit aufrechtem Stamm oder mit einem, der schwungvoll und mit knorriger Grazie zum Laub emporstrebt), verschweigen die sehr hellen, ungewohnt luftigen Gemälde hingegen, erwähnen es mit keinem einzigen Pinselstrich. Wildern die häuslichen Pflänzchen gleichsam aus. In die bleiche, auf den Keilrahmen aufgespannte Leere.
Und die Technik mag Acryl auf Leinwand sein, auf diese Leinwände sind die handlichen, zwergwüchsigen Einzelgänger allerdings nicht gemalt worden. Sondern auf andere. Bevor sie von dort auf diese verpflanzt, abgeklatscht, abgerieben worden sind. Eigentlich Monotypien, unikate Drucke. Ätherische Echos der Malerei. Das Braun der Rinde und das Grün der Blätter hallt als vage Erinnerung delikat auf dem kühlen Weiß der Grundierung nach. Flüchtige haptische Schlieren, asiatisch, geradezu kalligrafisch anmutende Spuren.

Eine weiße Leinwand erinnert sich an die Malerei. Ach, ist dieses Bild NICHT gemalt worden? Schon. Aber zunächst auf eine ANDERE Leinwand. Von Herbert Brandl.
- © Markus Woergoetter, Courtesy: Galerie nächst St. Stephan Rosemarie SchwarzwälderEin klassisch gepinseltes Baumpaar vor einem düsteren Hintergrund ist weniger zurückhaltend. Wächst vergleichsweise schwerfällig in eine patzige schwarze, unheimliche Nacht hinein. Definitiv keine zarten Pflänzchen wie die Kollegen.
Warum tratzen die Ratzen die Katzen nicht?
Die 43 Klümpchen, die auf dem Boden des Ausstellungsraums konzentrisch um eine freie Mitte kreisen, haben sicher ebenfalls ein ziemliches Gewicht. No na, die sind aus Bronze! Und bei näherer Betrachtung entpuppen sie sich als "Cats & Rats", als Köpfchen von Katzen und Ratten, die mit ihren Nasen aufs Zentrum zeigen. Jäger und Beute ruhig und friedlich nebeneinander. (Okay, beide sind geköpft.) Die Ratzen tratzen die Katzen nicht. (Womit auch?)

Katzen und Ratten haben ein Meeting auf dem Boden des Ausstellungsraums und reimen sich dort ein Mandala zusammen: "Cats & Rats" von Herbert Brandl.
- © Markus Woergoetter, Courtesy: Galerie nächst St. Stephan Rosemarie SchwarzwälderEin Mandala? Zum Sinnieren über den Weltfrieden? Zum meditativen Katzen- und Ratzen-Zählen? Moment: 43! Das lässt sich jedenfalls nicht sauber durch zwei teilen. (Wenn ich mich nicht verzählt habe, sind die Nagetiere in der Überzahl. Knapp. 22 zu 21.)
Und über allem wacht der "Große Geist" der Indianer. Zumindest wird er vom Titel der Schau angerufen: "Oh Manitu!" Manitu? Warum ausgerechnet der? Würde Buddha nicht besser zu den Bonsais passen? Selbst der Humor des Steirers mit Wohnsitz in Wien hat anscheinend die spirituelle Leichtigkeit seiner aktuellen "Baumpflanzungen".