Das Vitra Design Museum in Weil am Rhein beherbergt die wichtigsten Designklassiker des 20. Jahrhunderts und setzt sich mit der wechselvollen Geschichte privaten Wohnens seit 1900 auseinander. Kurator Jochen Eisenbrand geht von der heutigen Lebenswelt in Pandemiezeiten und der Debatte um ständig teurer werdenden und daher knappen Wohnraum aus, aber auch häufiger Wohnungswechsel soll in der Ausstellung "Home Stories. 100 Jahre, 20 visionäre Designs" im Möbelmuseum Wien neu beleuchtet werden.
Die "Wegmarken" sind allerdings fast alle die gleichen und Österreich spielt mit Adolf Loos, Josef Frank und Margarete Schütte-Lihotzky ganz vorne mit. Zugegeben hätte die Space-Abteilung noch von Walter Pichler über die Hausrucker und Coop Himmelbau stark erweitert werden können und Hans Hollein mit seinen Anregungen vom amerikanischen Memphis Design fehlt überhaupt.

Schrein der Moderne
Mit der Wandlung besonderer Blicke in die Natur in echte "Wohnträume", wie sie die Brasilianerin Lino Bo Bardi in São Paulo neben einem schwebenden Museum schaffte, könnte hierzulande ohnehin nur Roland Rainer mithalten. Aber es wird in der Schau nicht verschwiegen, dass in den 1950er Jahren skandinavische Möbel die absoluten Renner waren, langsam setzten sich auch die begabten Innenarchitektinnen stärker durch, was ja erfreulich ist, Geheimtipp Anna Lülja-Praun erreichte die Schau aber noch nicht.

Margarete Schütte-Lihotzky hätte zwar bekrittelt, dass sie schon wieder auf ihre "Frankfurter Küche" reduziert dargestellt wird, doch die gehörte ja bekanntlich zum Konzept des Architekten Ernst May, der 1925 bis 1930 "Das Neue Frankfurt" auch im öffentlichen Wohnprogramm durchsetzen wollte. So konzentriert sich der Kurator auf die wichtigen Themen vor allem im Wandel ab den 1950er Jahren, aber mit Rückblicken auf die Erfinder eines offenen Wohnraums mit den Klassikern Adolf Loos und Mies van der Rohe. Dabei wird auch Josef Franks Konzept der mit den Bewohnern organisch mitwachsenden Einrichtung, von ihm "Akzidentismus"-Prinzip genannt, nicht ausgelassen: Seine Villa Beer dient mit ihren vielen Ebenen als Beispiel, von Loos ist es die Villa Müller in Prag und von Mies van der Rohe die in Brünn für die Familie Tugendhat gebaute Villen-Ikone der Moderne.

Frank ist auch für seine wunderbaren Ornamentstoffe berühmt und so ist ein Nebenstrang diesem von Loos verworfenen Ausdrucksmittel gewidmet.
Die Moderne hat sich ansonsten, auch um 1960 mit einer Vorliebe für die technischen Haushaltsgeräte eher funktional und reduktivistisch gegeben, bis auf die wilden Interieurs Verner Pantons, der mit seinem Privathaus bei Basel sein psychedelisches, der Pop Art nahes Design mit Polsterwelten, Moonlamps und Freischwingern aus Kunststoff vertreten ist.
Der Einfluss der Künstlerateliers - vor allem durch Andy Warhols "Factory" mit Silbertapete in New York und das Ideal des Lebens im Loft - steht Pate; formal strenger, wenngleich wild bunt die Wohnungseinrichtung von Karl Lagerfeld in Monte Carlo Anfang der 1980er Jahre mit legendärem Memphis Design, eine Wohnung als "Schrein der Postmoderne".
Hier schließt auch die Abteilung Kitsch and Camp an, die vor allem in der Welt der Filmstars oder für Fotografen der Modezeitschrift Vogue wesentlicher Ausdruck wurde. Auch der Einfluss von Filminterieurs wird in die Debatte eingebracht. Im Zentrum ist dabei die humorvolle Pervertierung aller technischer, scheinbar funktionaler und futuristischer Möbelkultur: Jacques Tatis Villa Arpel für den Film "Mon Oncle" (1958), ein Haus voller Fallen für die Bewohner.
Das Ehepaar Alison und Peter Smithson hatte auf einer Londoner Messe 1956 schon ein "House of the Future" vorgestellt. Doch hielt sich statt einer "Wohnkapsel" ähnlich der Mondkapsel der Raumfahrt im Allgemeinen eher eine gemütlichere Gestaltung der sonst coolen Moderne, mit skandinavischem Design (Finn Juhl), und etwas später kommt so und so das kurzlebige Billigmöbel von Ikea, das edle Tischlerei abschaffte und vielseitige Nutzung und Austauschbarkeit an Stelle von oft theatralischer Inszenierung setzte.