Wenn Malerei das ist, was man mit einem Pinsel macht, dann ist der Jakob Gasteiger kein Maler. Schließlich pinselt er nicht. Was wäre er freilich sonst? Ein Friseur? Immerhin kämmt er die Farbe. Frisiert sie regelrecht. Aber natürlich ist er sehr wohl ein Maler. (Schon allein, weil am Ende Bilder herauskommen.) Einer mit einem unverwechselbaren Stil. Einer Technik mit hohem Wiedererkennungswert.

"Bilder 1985 – 1990" sind von ihm nun in der bechter kastowsky galerie versammelt. Wobei der Ausstellungstitel so analytisch ist wie die Malerei selbst, die allerdings außerdem "post-radikal" sein soll. Warum eigentlich der Fokus auf dieses enge Zeitfenster? Weil das quasi eine Retrospektive des Anfangs ist. Die Ölbilder, die noch nie in dieser Geschlossenheit hergezeigt worden sind, illustrieren nämlich, wie alles begann. (Nicht, dass sie illustrativ wären. Im Gegenteil. Sie stellen nichts dar außer sich selbst. – Angeblich. Mutmaßlich.) 

Ölbilder sind eben Feuchtgebiete

Fast schon erotisch: Dieses Blau hat eindeutig Sex-Appeal. Das Bild vom Jakob Gasteiger aber trotzdem keinen Titel. "Ohne Titel" (1990) ist jedenfalls NICHT der Titel. 
- © bechter kastowsky galerie

Fast schon erotisch: Dieses Blau hat eindeutig Sex-Appeal. Das Bild vom Jakob Gasteiger aber trotzdem keinen Titel. "Ohne Titel" (1990) ist jedenfalls NICHT der Titel.

- © bechter kastowsky galerie

Öl auf Leinwand – so weit, so klassisch. Bis die Rakeln ins Spiel kommen. Die stellt der 1953 in Salzburg geborene Künstler übrigens selber her, um nachher mit ihnen die monochromen Farbfelder zu pflügen. Die ausgeklügelt einfachen Spuren, die sein gezahntes Werkzeug hinterlässt, während es die aufgespachtelte Masse auf dem kürzesten Weg (und das ist bekanntlich die Gerade) oder mit großzügigen Schwüngen zerfurcht, erinnern dabei frappant an die Linien im Kies eines japanischen Steingartens. Der berühmteste (jener in Kyoto) hat ja tatsächlich Eindruck auf ihn gemacht. Diese "trockene Landschaft". Auch wenn seine "Ölgärten" (selber würde er sie aber vermutlich eher nicht so nennen) regelrechte Feuchtgebiete waren. Die haben Jahre gebraucht, bis sie so trocken waren wie ein Zen-Garten. Drum ("Ich konnte sie nicht ausstellen!") ist der Gasteiger "ganz schnell zu Acryl übergegangen".

Könnte man seinen Arbeitsprozess vielleicht als meditativ bezeichnen? Der Meister der sparsamen Geste mit großer Wirkung, bei dem jede Linie Substanz hat (im haptischsten Sinne des Wortes), widerspricht vehement: "Er ist nicht meditativ, er ist langsam." Als "ein konzentriertes Arbeiten" beschreibt er den Vorgang und stellt gleich einmal eines klar: "Ich bin kein Farbe rechender Mönch." Nix mit Meditation.

Nichtsdestotrotz kann man sich in seine "Rechenkünste" kontemplativ versenken wie in das Werk eines buddhistischen Mönchs mit einem Rechen. Sind das also doch Landschaften? Ist der Gasteiger insgeheim ein Landschaftsgärtner und glaubt nur, dass seine Bilder von nichts anderem handeln würden als von der Farbe und ihrem Auftrag? Dass es in ihnen um nichts weiter ginge als um die Parameter der Malerei? ("Die Bilder erzählen ihre eigene Entstehungsgeschichte." Punkt. Abstrakter geht’s nicht. Und weltfremder. Kunstimmanenter.) 

Wenn sexy Rundungen herumkurven

Der Jakob Gasteiger ist kein buddhistischer Mönch mit einem Rechen, muss sich mit seiner Rakel freilich ebenfalls sehr konzentrieren. (Öl auf Leinwand, 1990.) 
- © bechter kastowsky galerie

Der Jakob Gasteiger ist kein buddhistischer Mönch mit einem Rechen, muss sich mit seiner Rakel freilich ebenfalls sehr konzentrieren. (Öl auf Leinwand, 1990.)

- © bechter kastowsky galerie

Alte Bilder, die praktisch neuwertig sind, weil sie kaum jemand bisher gesehen hat. Spannend die Vierer-Reihe, wo die Rakel dieses sinnlichen Minimalisten (oder analytischen abstrakten Expressionisten?) im satten Schwarz geschmeidig herumkurvt, Wellen macht, ein S (oder Achter?) seine sexy Rundungen vorführt. Rhythmische Variationen zu einem Thema. Auch zum Thema Schwarz. Die unbunte Farbe hat subtile Untertöne (Blau, Braun . . .). Und bei einem blaugrauen Querformat stellt sich die Frage: Ist es liniert oder gestreift? Wahrscheinlich beides. Die Streifen (in der Breite der durchgezogenen Rakel) schauen mir jedenfalls ziemlich liniert aus.

Farblich so zurückhaltend ist er heute ja nimmer, der Gasteiger. In Acryl kann er recht schrill und poppig werden. Dafür lenkt hier, wo die Farben sozusagen Zimmerlautstärke haben, nichts von der Struktur ab. Dazwischen eingestreut: Pinselfreie Malerei, die sich auf Karton erprobt. Und wenn doch ausnahmsweise ein Pinsel involviert ist, wird damit nicht gemalt, höchstens mit dem Stiel gekratzt.

Mittlerweile sind sämtliche Ölbilder getrocknet, aber noch immer nicht "trocken".