Wie so eine halbstarke Gänse-Rappergang schnattern sich die Vögel durch die Straße. Im Hintergrund des Fotos stehen Menschen im Sonntagsstaat, die ihnen belustigt zusehen. Den inoffiziellen Wappenvögeln des Burgenlands. Gut, da haben die Gänse aber auch Konkurrenz durch die Störche. Auch die haben sich in der Ausstellung "Grenzland im Fokus. 100 Jahre Burgenland" niedergelassen: "Storchenmutter" Elfriede Kernstocks Arbeit ist da etwa dokumentiert mit einem vollen Nest. Nach 1900 wurde der Weißstorch im Burgenland heimisch, danach legte er vor allem in Ruster Rauchfängen eine beachtliche Medienkarriere hin. Kernstock kümmerte sich um die Tiere, die durch moderne Bauformen ihrer Nistplätze verlustig gingen.

Störche und Erdbeeren

Gänse, Störche, Neusiedlersee, vielleicht noch Erdbeeren, dann hat man eh schon alles, was man über das Burgenland wissen muss? Ein bisschen stereotypisch mag die Auswahl für die Jubiläumsschau vielleicht schon ausgefallen sein. Andererseits ist es auch von Interesse, Klischees einmal in verschiedenen Facetten zu betrachten. Aus 500.000 historischen Fotografien aus dem Landesarchiv wurde die Schau zusammengestellt. Dabei sind tatsächlich die ganz alten Bilder die eindrucksvollsten. Etwa Porträts von Franz Svoboda aus den 30er-Jahren: Ein Bauer, der fast schon zärtlich, jedenfalls sehr stolz seine pompösen Rüben der Kamera präsentiert, ein Weinbauer, der sich zur Verkostung seines Produkts anschickt und das Glas verschmitzt-verliebt ansieht. Der Wein ist öfters Thema, zum Beispiel in einem groß aufgezogenen Foto, das eine gesellige Jause bei der Lese zeigt nebst Information, dass sich von den 1950ern bis zu den 1980ern die Weingartenfläche im Burgenland verdoppelt hat.

Prachtvolle Burgunderrübenernte, stolz präsentiert von einem Bauern mit Pfeife 1931 in Rust. - © Landesarchiv Burgenland / Franz Svoboda
Prachtvolle Burgunderrübenernte, stolz präsentiert von einem Bauern mit Pfeife 1931 in Rust. - © Landesarchiv Burgenland / Franz Svoboda

Es sind großteils Bilder eines armen Landes, selbst die Tracht ist zugleich Arbeitskleidung. Manchmal werden Porträts von Menschen, die einer heute ziemlich ausgestorbenen Handwerksarbeit nachgehen, gegenübergestellt. Die Strohflechterin aus den 70ern wirkt da kaum weniger angejahrt als der Plutzer-Hafner aus den 30er-Jahren. Das Aus-der-Zeit-Gefallensein und die Armut sind natürlich eine Folge der Randlage, das kennen auch andere österreichische Gebiete. Manche Fotografien illustrieren die Abgeschnittenheit sehr gut, wie eines von einem kaputten Bahnbrückentragwerk, das riesig über einem kleinen Menschen baumelt. Oder ein stimmungsvolles Foto von der Landstraße, die endlich zu einer brauchbaren Verbindungsstraße werden sollte. Die Momentaufnahme des feschen Amts-Oldtimers auf der leeren, neuen B50 Burgenlandstraße sieht aus wie der Beginn eines eleganten Kriminalfalls.

Segelschiffe am zugefrorenen Neusiedlersee, vor 1938. 
- © Landesarchiv Burgenland

Segelschiffe am zugefrorenen Neusiedlersee, vor 1938.

- © Landesarchiv Burgenland

Neben pittoresken Blicken auf Land und Leute hat auch die knallharte Geschichtsschreibung ihren Platz in der Schau. Von einem Foto aus 2000 mit damaligem Kanzler Schüssel und Landeshauptmann Stix vor dem ersten zweisprachigen Ortsschild über eine Polizeiaufnahme des Tatorts in Schattendorf 1927 zu DDR-Flüchtlingen, die die Gunst der Stunde im Ungarnurlaub im August 1989 nützten. Ein sehr bekanntes Foto zeigt die Reste der Bombe in Oberwart, die 1995 vier Roma in den Tod gerissen hat. Ein weniger bekanntes zeigt eine Demonstration von 1923, bei der Männer und Frauen ein Schild mit den Worten "Wir verlangen eine Hauptstadt im Burgenlande" tragen.

Badehosen und Schilf

Aber was wäre so ein Ausflug ins Burgenland ohne einen Abstecher zum Neusiedlersee. Auf einem Foto ist die "Städtische Baderestauration zum Meer der Wiener" zu sehen, in der Bewohner der Bundeshauptstadt die burgenländische Tourismuswirtschaft ankurbeln - schon in den 30er-Jahren, als Männer noch Trägerbadehosen trugen. Dass der See nicht für alle ein dekoratives Hingegossen-Liegen bedeutet, sondern für viele auch Arbeit, zeigen die Bilder einer Fischerfamilie von 2020. Und die Schilfschneider am zugefrorenen See 1975.