Jeden Tag gibt es Berichte und Kommentare zu Chinas Traum von der Neuen Seidenstraße, der unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vieles von den alten Träumen der Routen zwischen Europa, dem Nahen Osten, Russland und China mit Baggern von der Kultur in Infrastruktur für schnellen Handel und Rohstoffgewinnung wandelt, weshalb die Gegenwartskunst kritisch auf die "Belt & Road Initiative" des chinesischen Präsidenten reagiert.

Verzweigte Geschichte

Die Reisenden seit Marco Polo um 1300, die etwa nach der Herkunft der Wildäpfel im Tian-Shan-Gebirge forschenden Botaniker, aber auch von kolonialistischer Motivation Angetriebene behandelte ein Forschungsprojekt des FWF, dem die Sozialanthropologin Maria-Katharina Lang vorstand, die für die Schau auch als Kuratorin fungierte. Gemeinsam mit Architekt Christian Sturminger wurde im Weltmuseum eine verzweigte Wegführung mit Konfrontationen von 200 historischen und aktuellen Objekten über Boden- und Tischkarten von Johannes Heuer geschaffen.

Als Kooperation mit dem Hamburger Museum am Rothenbaum, in dem die frühere Kuratorin des Weltmuseums, Barbara Plankensteiner, Direktorin ist, wird mit Leihgaben aus weiteren Museen und der beteiligten Künstler die verzweigte Geschichte der alten und neuen Beziehungen vor allem in den Zwischenräumen von China und Europa erzählt, wobei die kaum gehörten Stimmen der Bewohner von Steppengebieten im heutigen Russland, Türkei, Kasachstan, Armenien, Georgien, aber auch dem heutigen Iran sowie entlang der Schiffsrouten zu Wort kommen.

Der Begriff "Seidenstraße" stammt vom deutschen Geografen Ferdinand Richthofen 1877, doch handelte es sich immer um viele Routen, Straßen, heute Eisenbahntrassen, an denen die Orte der europäischen Sehnsucht wie Samarkand, Almaty oder Tiflis liegen.

Schnurgerade zum Geld

Die vielen Reisenden, hier meist aus dem Westen, brachten begehrte Objekte wie eben Seide, Jade und "Tartarenstoffe", aber auch chinesisches Porzellan, neben Berichten und Tagebüchern samt Fotografien mit; dabei sind auch zwei spannende reisende Sammlerinnen des 20. Jahrhunderts aus Wien und Berlin zu nennen: Malerin Lene Schneider-Kainer und Johanna Ploschitzki (Hansi Share), deren wertvolle Sammlung allerdings von den Nationalsozialisten 1939 beschlagnahmt und 1941 verkauft wurde. 1951 wurden zwar Bücher und chinesische Tang-Keramik-Figuren rückerstattet, nicht aber ein hier die Restitutionsgeschichte mit thematisierender Buddhakopf aus Marmor, der museal als "Topf" archiviert, "unauffindbar" blieb.

Schon in den ersten beiden Sälen kommt zu den frühen chinesischen Figuren - Pferde und Kamele bilden das Unterthema des Transports vor den Lastautos und Fernzügen - die Konfrontation einer chinesischen Hand-Kartenrolle des 18. Jahrhunderts neben den auf vielen Screens präsentierten, von Paul Kolling filmisch erstellten Luftaufnahmen der erschreckend schnurgerade Güterzugtrasse Zhengzhou-Hamburg.

Die in spätgotischen Kaseln verwendeten edlen Seidenstoffe mit Goldfäden wie auch die im heutigen Usbekistan in geometrischen Mustern gewebten Frauenmäntel (Khalats) sind neben Teppichen, Mützen und Schuhen aus komplex gewebten Stoffen beliebte Sammelware - in die Gegenwart geholt von Dilyara Kaipova, die ihr Gewebe mit einem schreienden Totenkopf nach alter Tradition entwirft. Authentische Dokumentationen der Film- und Fotokünstlerin Umida Akhmedova aus Tashkent brachten dieser schon staatliche Verleumdungsklagen ein.

Die frühen reisenden Forscher und Künstler wie Georg von Almásy, Fritz Willfort, Franz Heger oder Annie Mainz und ihre Tagebücher, Fotos und Sammelstücke wie auch wunderbare Derwischmützen, alte osmanische Fliesen oder eine Torarolle aus Buchara, sind Fragmente alter Moscheen, Synagogen oder Mausoleen an Orten, die heute von der Industrie zerstört oder wie im Fall von Min Kush durch Uranabbau verseucht sind, was Fotokünstlerin Marylise Vigneau 2021 dokumentierte. Die Steppe mit den Nomaden und ihren Jurten, um 1900 brutal in Völkerschauen der Weltausstellungen vorgeführt, sind hier ergänzt durch Nomin Bolds riesige Collage über die mit ihren Haaren verflochtenen fünf legendären Töchter des legendären Mongolenfürsten Dschingis Khan. Nebenbei nicht zu vergessen: alte Rollbilder zu Schlachten. Direktor Jonathan Fine erinnert an die Route der großen Seuchen über die alten und neuen Handelswege. Aus Europa erreichte ein verbotenes Instrument China in zwei Jahren: Das Fernrohr Galileo Galileis, aber das wäre ein anderer Retour-Blick.