In der Galerie Martin Janda wird man jetzt regelrecht zur Biene. Nicht, dass man die Bilder vom Jan Merta bestäuben möchte oder auf diesen auch nur eine Blume drauf wäre, aber die für ihren Fleiß (und ihren Honig) bekannten Insekten werden von knalligen Farben doch angeblich magisch angezogen, oder? Gelb, Giftgrün, Orange, Pink . . . – auf die aktuellen Leinwände des Malers aus Tschechien, der Ende des Jahres 70 wird, fliegt man also zwangsläufig.

Die poppige Palette gaukelt eine heile Buntheit vor, in Wahrheit lockt sie einen freilich in eine Falle, eine Welt voller Irritationen. Versatzstücke und Leitmotive drängen sich einem auf, tun vertraut. Der Helm, der Felsen, die Mauer. Und hinter Letzterer (oder dem Horizont) lauert die Ungewissheit. Und unter Ersterem, dem Helm: das Unbehagen. Schließlich handelt es sich nicht um einen zivilen Kopfschutz mit elf bzw. zwölf Buchstaben (Lösung: Fahrrad- und Motorradhelm), sondern um einen fürs Gefecht. Mit den schillerndsten Reflexionen lugt er über ein steinernes Mauerwerk, die solide Grenze zwischen dem Hüben und dem Drüben. 

Die Komplexität der Einfachheit

Trifft sich die Farbe mit der Form: "Na pláni paměti / On the Plain of Memory" (2018 - 2020) von Jan Merta. 
- © Lukáš Jasanský, Courtesy: Galerie Martin Janda, Vienna

Trifft sich die Farbe mit der Form: "Na pláni paměti / On the Plain of Memory" (2018 - 2020) von Jan Merta.

- © Lukáš Jasanský, Courtesy: Galerie Martin Janda, Vienna

Ist der Betrachter der Feind? Vor dem man die Kunst beschützen muss? Dem der Künstler die Aussicht zumauert, zumalt mit den verführerischsten Tönen, ihn damit neckt, ihn umso mehr aufgeilt? (Von diesem imposanten, nämlich drei Meter hohen und opulent bunten Opus hat die ganze Ausstellung übrigens ihren Titel: "The Volunteer" – der/die Freiwillige.) Zugegeben: Etwas hoch ist der Helm. Hat die Proportionen einer Schwedenbombe.

Eine junge Soldatin wiederum trägt den "Deckel" eher wie ein modisches Statement. (Oder wie eine Rührschüssel, einen Fremdkörper.) Außerdem ist sie bis zum unteren Bildrand nackt. Okay, das ist ein Büstenporträt, ein sogenanntes Schulterstück. Das hört unten ziemlich genau dort auf, wo die Brüste anfangen würden. Trotzdem: Die Porträtierte trägt keine Uniform. Ist die folglich überhaupt vom Militär?

Merta, der unter anderem in Prag lebt und malt, bleibt zwar immer im Gegenständlichen verwurzelt, das allerdings mehr oder weniger weit ins Abstrakte hineinwächst. Er vereinfacht die Formen und macht es dadurch bloß komplizierter, rätselhafter. Bis die Gegensätze (figurativ – abstrakt, räumlich – flächig, malerisch – schemenhaft, innen und außen) beginnen, sich ineinander aufzulösen. 

Die Übermacht der Natur

"Lampa II / Lamp II": Lediglich der dünne senkrechte Strich, an dem der Kreis hängt, macht diesen, den Kreis, der eigentlich etwas noch runderes darstellen soll (eine Kugel), zu einer Deckenlampe, zum Zentralgestirn eines Zimmers. Und der dunkle "Schatten", vor dem das nuancenreiche Hellgrau mit seinen zarten rosigen oder blauen Untertönen leuchtet? Ein Gebirgspanorama? Die Reste der Hauswand? Was nach einem Erdbeben oder Beschuss noch von ihr steht? Schutt? Romantik oder Zerstörung? Landschaft oder Ruine? Auf jeden Fall eine überzeugend reduzierte Komposition von surrealer Mehrdeutigkeit.

Der Mond hängt aber tief. Vielleicht, weil es sich eigentlich um eine Lampe handelt. Jan Merta gibt uns in "Lampa II / Lamp II" (2016 - 2020) Rätsel auf. 
- © Lukáš Jasanský, Courtesy: Galerie Martin Janda, Vienna

Der Mond hängt aber tief. Vielleicht, weil es sich eigentlich um eine Lampe handelt. Jan Merta gibt uns in "Lampa II / Lamp II" (2016 - 2020) Rätsel auf.

- © Lukáš Jasanský, Courtesy: Galerie Martin Janda, Vienna

Eindeutig surreal ist dagegen der Schulausflug ("Školní výlet II / School Trip II"). Klitzekleine Menschlein krabbeln vor einem gigantischen Felsmassiv als Maßstab herum, zeigen, wie erdrückend übermächtig die Naturformation ist. Eine steile Küste ("Strmý břeh II / Sheer Shore II") analysiert Merta wie Gemüse auf dem Schneidbrettl, zerhackt sie wie ein Kubist in ihre schroffen Einzelteile, Fließendes ergießt sich auf kantig Eckiges (auf Hämmer? – "Na pláni paměti / On the Plain of Memory"), oder der Maler schleudert einen schwarzen Blitz (Gedankenblitz?) zackig in sein Depot, in dem sich die Gemälde zu einem Drunter und Drüber schichten ("Temný výboj v depozitáři / Dark Discharge in the Depositary").

Süffige Malerei, die Geheimnisse vor dem Betrachter hat.