Rothschild - ein Name, der die Gemüter ultrarechter Verschwörungstheoretiker heißlaufen lässt: weltweite Konspirationen, jüdisches Kapital, Macht- und Geldgier. Antisemitismus in Reinkultur, oft nicht einmal tuschelnd getarnt. Die Nationalsozialisten drehten sogar einen antisemitischen Propagandafilm über das Haus Rothschild. An allem waren die Rothschilds schuld - und sind es in den Augen mancher Wirrköpfe bis heute.
Das Jüdische Museum geht dem Wiener Zweig der Familie Rothschild nach. Das Fazit: Es ist tatsächlich ein Kriminalfall. Nur liegt er genau umgekehrt. Nicht die Rothschilds waren kriminell, kriminell ist, wie man mit den Rothschilds umgegangen ist.
Nach der sensationellen "Jedermanns Juden"-Schau, die, genau genommen, auch von den Salzburger Festspielen gezeigt werden müsste, schafft das Jüdische Museum nun mit Gemälden, Schriftstücken, Architekturmodellen, Memorabilien und Objekten kurioser Natur einen weiteren Höhepunkt im Wiener Ausstellungsreigen.

Damit gleich zum Weißen Elefanten im Raum, der im konkreten Fall ein dreibeiniges Krokodil ist: Die Jagdbeute eines Rothschild-Familienmitglieds (die Großwildjagd hat damals dazugehört, so despektierlich das heute scheint) ist mehr oder minder ein Zufallsfund im Naturhistorischen Museum gewesen. Jetzt kommt es, unübersehbar gehängt, quasi fliegend, zu neuen Ehren, gleichsam als Wahrzeichen der Ausstellung.
Soziales Denken
Aber vielleicht sollte man das Augenmerk weniger auf die blickfangende Echse lenken als auf die tonnenschwere Steinsphinx, die das ehemaligen Rothschild-Palais an der Prinz-Eugen-Straße zierte. Nun empfängt sie den Besucher der Schau und erinnert gleich daran, dass nicht nur die Nationalsozialisten der Familie geraubt und gestohlen haben, was gegangen ist, sondern dass auch nach dem Krieg befremdliche Entscheidungen getroffen wurden: An der Stelle des Palais, das die Kriegszeit nahezu unbeschadet überstanden hat, befindet sich heute das Bürogebäude der Arbeiterkammer.
Welche Bedeutung die Rothschilds für Wien hatten, geht aus zahlreichen Ausstellungsstücken hervor, etwa aus dem Modell des Wiener Nordbahnhofs, der mit dem Geld der Rothschilds errichtet wurde, oder aus den Dokumentationen der Nathaniel Freiherr von Rothschildsche Stiftung für Nervenkranke. Wenigstens wurden Gedenkplaketten an den Rosenhügel-Pavillons angebracht - im Jahr 2021.
Durch die ganze Ausstellung ziehen sich als rote Fäden, wie die Familie einerseits immer wieder gegen antisemitische Vorurteile ankämpfen musste, andererseits aber als Geldgeber dem finanziell maroden Kaiserhaus höchst willkommen war.
Der Patriarch der Familie war der aus bescheidenen Frankfurter Verhältnissen stammende Mayer Amschel Rothschild, der sich mit viel Fleiß emporarbeitete und seine fünf Söhne in die Welt schickte. Einer von ihnen, Salomon Rothschild, ging nach Wien und wurde Bankier des österreichischen Staatskanzlers Metternich, dem er auch in den Unruhen der Revolution von 1848 die Treue hielt. Er, geadelt zum Baron Rothschild, war der Begründer der Wiener Rothschild-Dynastie. In ihren Unternehmungen spiegelte sich ein Geschäftssinn, der mit sozialem Denken verbunden war. Es bedurfte einiger antisemitischer Anstrengung, auch dieser Familie das Zerrbild der kapitalistischen Ausbeuter überzustülpen. Die Schau im jüdischen Museum ist, am besten begleitet von einer Führung und dem ergänzenden Katalog, eine tiefschürfende und spannende Korrektur. Unbedingt anschauen!