Geboren anderswo (die eine 1971 im dänischen Aarhus, die andre 1964 in Linz), leben und arbeiten die zwei "zuagraasten" Künstlerinnen aber mittlerweile beide in Wien, wo sie nun in der Galerie Krobath zusammengefunden haben.
Wobei: Gemeinsam stellen sie eigentlich nur unter Anführungszeichen aus. Denn genau genommen sind es ja zwei Ausstellungen. No na, hätte sonst jede ihren eigenen Titel? Nicht, dass sie nicht gut zusammenpassen würden, interessiert sich doch sowohl die Dänin als auch die Oberösterreicherin für das, was sich in einer tieferen Erdschicht befindet: die Vergangenheit.
Die Vergangenheit ist zerbrochen
Sofie Thorsen ("Shards", auf Deutsch: Scherben) haben es steinalte Werkzeuge und Gefäße angetan. Diese Überbleibsel aus den frühesten Epochen der Menschheitsgeschichte zeichnet sie freilich nicht einfach ab, vielmehr bedeckt sie sie mit dem leeren, weißen Blatt. Fertigt Frottagen von ihnen an. Reibt die Oberflächen mit einem Grafitstift ab, bis die Dinge hinter dem Papier auf diesem zum Vorschein kommen. Als vage Spuren, blasse Erinnerungen an etwas, das einem mehr oder weniger bekannt vorkommt. Was, bitte, ist dieses Runde mit dem Loch in der Mitte? Thorsen: "Eine Scheibenkeule." Aha. Das Loch ist für den Griff.

Zerbrochene Krüge, frottiert von Sofie Thorsen. (Bzw. hat sie einer Collage aus FOTOS von zerbrochenen Krügen eine "Abreibung" verpasst.)
- © Rudolf Strobl, 2022, Krobath WienUnd welches Museum lässt sie das alles mit seinen Schätzen machen? Das Stadtmuseum Odense in Dänemark. Okay, eh nicht mit den Originalen. Thorsen hat die neolithischen Äxte, diversen Pfeilspitzen und zerbrochenen Krüge, die einst aus dem Boden geholt worden sind, bloß um sie später abermals zu begraben (im Depot, im Vergessen), im digitalen Archiv der archäologischen Sammlung entdeckt, hat die fotografischen Abbildungen vergrößert ausgedruckt, die Objekte daraus ausgeschnitten und kombiniert. Diese Collagen hat sie dann abgerubbelt. Grafisch schärfen sich da die Konturen ihrer bruchstückhaften Funde, ihrer Scherben, die sie zu einem neuen ästhetischen Ganzen zusammengefügt hat. Schemenhafte Formen, überlagert zu ruhigen, harmonischen Kompositionen oder zu einer verhaltenen Dynamik konzentriert.
Die Ergebnisse dieses raffinierten Spiels mit dem Verbergen und dem Herzeigen, dem Bilden und Abbilden, dieser Fusion von Archäologie und Kunst, Chaos und Neuordnung sind erstaunlich räumlich. Sogar räumlicher als die Gipsabgüsse, als diese rötlich gefärbten Reliefs, die eckig an der Wand lehnen oder sich unregelmäßig runden und Akzente setzen, Markierungen für den wandernden Blick.
Was die Gegenwart wegschmeißt (weil es kaputt ist), das studiert die Künstlerin mit derselben Wertschätzung wie das lang Verjährte, klaubt Gesteinsrestln vom Bau aus dem Abfallcontainer, in den sie kommen, "wenn sie zu Kies zerschmettert werden sollen", und graviert geheimnisvolle Linien ein. Kryptische Botschaften für die Nachwelt?

Was ist in der geheimnisvollen Kiste im Burgtheater? Hertha Hurnaus weiß es jedenfalls nicht. Sie hat sie fotografiert, aber nicht hineingeschaut. Manchmal ist es eben spannender, ein Geheimnis NICHT zu lüften.
- © Hertha Hurnaus, Krobath WienWo liegt das Unbewusste? Im Keller!
Hertha Hurnaus ("Untergründig") frottiert nicht, macht allerdings ebenfalls etwas, das mit einem F anfängt: Fotografieren. Mit Kamera und Stativ steigt sie in das Unterbewusstsein des Burgtheaters hinab. Bzw. verdrängt der Ringstraßenbau seinen abgefuckten Keller mit den düsteren Lüftungsgängen und den Rohrsystemen vor dem Publikum, das oben in der Etage mit dem Stuck und dem Klimt und den Lustern ja keine Ahnung hat, wie es da herunten ausschaut. Wie archaisch.

Kauert sich fast wie ein Mensch zusammen: Plastikfolie im Rathaus (oder eigentlich UNTERM Rathaus), gefunden von Hertha Hurnaus.
- © Hertha Hurnaus, Krobath WienHurnaus ("Diese Gebäude sind zum Teil so tief wie hoch.") exhumiert quasi die Welt unter Tage, diese morbide Atmosphäre, die charismatische malerische Schäbigkeit. Und mit Langzeitbelichtungen fängt sie das, was durchs kühle Gemäuer streift, um eine runde Ecke kriecht, also scheu herumkurvt, geduldig ein: Die Rede ist selbstverständlich nicht von einer Ratte (die fängt man außerdem eher mit anderen Fallen), sondern vom Licht. Das kann man schließlich nicht brutal niederblitzen, sonst verscheucht man die Stimmung.
In einem Gewölbe lagert eine mysteriöse Kiste. "Das sind eben die Geheimnisse, die man vorfindet", meint die Fotografin. Und? Hat sie es gelüftet? Hat sie den Deckel gehoben? Nein. Absichtlich nicht. Ist wahrscheinlich sowieso gscheiter. Der Darth Vader hätte seinen Helm doch auch besser aufbehalten. Aus dem Orkus vom Rathaus dagegen hat sie ziemlich abstrakte "Gemälde" aus den pittoresken Wänden herausgeschnitten. Mit rätselhaften Buchstaben und Pfeilen drauf. Moderne Höhlenmalereien. Eine Plastikfolie kauert als menschliches Detail kreatürlich am Fuß einer Holztreppe.
Zwei, die suchen und finden und mit dem Gefundenen was anfangen können.