Die menschenleeren und in vielen Grauschattierungen gemalten Räume von Ben Willikens zeigen zum einen den kühlen Traum der Erinnerung an Erlebnisse seiner Jugendzeit im und nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Vierjähriger überlebte der 1939 Geborene das Bombardement von Leipzig nur knapp, nach der Flucht seiner Familie 1947 aus der sowjetischen Besatzungszone starben sein Vater und seine Schwester noch vor 1950.
Willikens studierte bis 1966 Philosophie, Theaterwissenschaft und schließlich Malerei in Hamburg, Stuttgart und London. 1969 begab er sich wegen anhaltender Panikattacken aufgrund der frühen Traumata freiwillig in die Nervenklinik von Stuttgart, um auch diese Erlebnisse kompletter Isolation später im Zyklus der "Anstaltsbilder" in hellen Grauschattierungen zu verarbeiten.

Ben Willikens: "Raum 1387" (Mies van der Rohes Villa Tugendhat).
- © Sammlung Siegfried und Jutta Weishaupt / Bildrecht, Wien, 2022Am Ende dieser Zeit, in der er das Gefühl der Marginalisierung und nahezu Auslöschung des Menschen aufgrund der Behandlung hatte, folgte das begehrte Künstlerstipendium an die Villa Romana in Florenz neben Markus Lüpertz.
Die malerische Aufarbeitungen Willikens bekamen Preise und wurden ab 1975 in deutschen Kunsthallen und Museen gezeigt. Götz Adriani und Walter Grasskamp wurden auf den Künstler aufmerksam. Krönung seiner Karriere waren die Malerei-Professuren in Braunschweig, und ab 1991 in München, wo er 1999 bis 2004 auch als Rektor der Akademie vorstand.

Ben Willikens: "Raum 1614 (Orte 2)".
- © Albertina, Wien / Bildrecht, Wien, 20221981 beendete er die kühle Phase mit der Serie "Gegenräume", doch 2010 kehrte er mit den dem "Letzten Abendmahl" von Leonardo da Vinci gewidmeten riesigen Formaten in die Beklemmung grauer Leere zurück. Wie die leeren Schlafsäle, Badewannen, Wandschirme, Spinde, Anstaltsstühle, vergitterten oder zugemauerten Fenster der "Anstaltsbilder" vermittelt der Abendmahlsraum die schreckliche Abwesenheit jeglichen Lebens in einer toten Welt. Ganz im Gegensatz zur seit dem Mittelalter gepflegten Grisaillenmalerei, die Sakrales anklingen lässt, sind die variationsreichen Grautöne hier von der Nachtseite des Lebens beherrscht.
Venedig und Freuds Praxis

Ben Willikens: "Raum 1475 (Orte 2)" (Mengeles Arbeitszimmer).
- © Albertina, Wien / Bildrecht, Wien, 2022 / Michael Steinle
Die Schenkung an die Albertina von zwei Gemälden der Serie "Orte 2" von 2012 konfrontiert uns mit dem berühmten Panoramafenster in Adolf Hitlers Berghof und mit einem Blick in das Labor des gefürchteten Arztes von Auschwitz, Josef Mengele, in Blaugrau. Daran schließen Vergleichsbeispiele am Ende der Schau von Gottfried Helnwein an. Doch dazwischen gibt es eine Entlastungszone für alle Besucher, durch etwas Farbe und durch Zitate der wichtigsten Räume der klassischen Moderne: des Merzbaus von Kurt Schwitters, der Villa Tugendhat von Mies van der Rohe, des Ateliers von Piet Mondrian.
Willikens Utopien der Freiheit werden gefolgt von den melancholischen Venedig-Veduten Eduard Angelis und den Blicken in die Ordination von Sigmund Freud von Robert Longo. Ein Kalt-warm-Parcours durch die schrecklichen Poesien grauer Sachlichkeit mit kleinen Farbtupfern.