In einer von visuellen Reizen dominierten Welt prägen sie nicht nur die Fantasie, sie haben ganz unmittelbar Einfluss darauf, wie wir Wirklichkeit wahrnehmen, was wir unter Normalität verstehen: die fiktiven Welten in Spielen. Die ästhetischen Maßstäbe und Spielregeln, die hier gelten, prägen - nicht nur Kinder und Jugendliche - nachhaltig, auch die darin gezeigten und gelebten sozialen Regeln und Rollenmodelle schreiben sich in die Wahrnehmung von Realität mit ein. Auch fiktive und digitale Bilder prägen Realität und schaffen Fakten - ob wir wollen oder nicht.

Vom traditionellen Puppenhaus über klassische Bauklötze und gesellige Brettspiele bis hin zu digitalen Fantasieuniversen: Alle haben sie im näheren oder weiteren Sinn mit dem Bauen, mit Architektur zu tun. Die Ausstellung "Serious Fun" im Architekturzentrum Wien (AzW) widmet sich genau diesem Spannungsfeld von Architektur und Spiel. Eine Analyse dieser Beziehung zeigt die Alltagserfahrung: Es sind bürgerlich gediegene, oft klassizistische Bauideale, die in Spielen dargestellt und konstruiert werden, die eingeschriebenen Rollenbilder sind, gelinde gesagt, traditionell.

Perspektivenwechsel
Der inhaltlich konzentrierten wie optisch leichtfüßig Schau im AzW geht es jedoch nicht darum, Missstände anzukreiden und plumpe Stereotype anzuprangern. Kuratorin Mélanie van der Hoorn hat neben der analytischen Aufarbeitung der Spielwelten gezielt nach kritischen künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Thema gesucht. Die dabei entstandene Zusammenschau von Projekten umfasst Gedankenspiele, Perspektivenwechsel und Best-Practice-Beispiele spielerischer Architekturvermittlung, die alle bereits auf einer Metaebene starten. Ein origineller Zugang, der sich für Besucher als ebenso überraschend wie anregend erweist.

Das Puppenhaus "The Unchanging World" von Alice Pasquini bietet so einen neuen Blickwinkel, da es keine ewig heile Miniaturwelt nachstellt, sondern Verfall und Zerstörung nicht ausspart. Oder die Collagen "MärchenHaft" von Sabine Bloch, die hinter einer Puppenidylle Tragödien aufblitzen lassen. Oder "Critical Blocks" von Maykel Roovers, ein Holz-Bausatz, der quasi unerwünschte Architektur wie Atommeiler und Wohnsilos umfasst, die aus kindlichen Spielwelten sonst bewusst ausgespart sind. Doch auch digitale Perspektivenwechsel kommen nicht zu kurz. Bei "Operation Jane Walk" etwa, einem Kurzfilm, in dem zwei Künstler eine touristische Architektur-Citytour durch das dystopische New-York in der sehr realitätsetreuen digitalen Kulisse eines Online-Shooter-Spieles zeigen. Oder auch das Foto-Projekt von Alan Butler, der sich als Sozialreporter durch ein Videospiel bewegt und den digitalen ästhetisierenden Blick auf Armut und Obdachlosigkeit erforscht.

Im dritten Teil der Schau wird die Perspektive optimistischer. Er versammelt pädagogisch wertvolle oder künstlerisch inspirierende Projekte, die reale architektonische und bauliche Projekte mit Mitteln des Spiels aufbereiten und begleiten. Ein partizipatives Projekt etwa, das vom Spiel Minecraft inspiriert ist, ein Stadtentwicklungsspiel, das zum Nachdenken anregt oder ortsbasierte Spiele, bei denen sich etwa mit Augmented Reality Wien anders und neu erforschen lässt.
Der Titel der Schau bleibt als Nachdenklichkeit zurück. Its Serious Fun. Es sind nie nur Spiele. Sie machen etwas mit den Menschen, die sie spielen. Sie prägen ihre Sicht auf die Gesellschaft. Den Ernst dahinter zu erkennen, macht es aber auch wieder leichter, sich am spielerischen Grundgedanken zu erfreuen. Auch der kommt im AzW nicht zu kurz.