Den Empfang stellt ein Feldharnisch von Erzherzog Ferdinand II von Tirol: Die Hülle aus geschmiedetem, feuervergoldetem und geschwärztem Eisen und graviertem Messing demonstriert Kampfbereitschaft und männliche Standhaftigkeit. Übersehen wird dabei normalerweise die kleine Federhülse am Hinterkopf des Helmes. Nicht so in der aktuellen Ausstellung im Kunsthistorischen Museum: Die Federhülse ist das entscheidende Detail, das der Erzählung über Ritterlichkeit und Courtoisie eine Wendung geben kann. In ihr steckt nämlich ein prächtiger roter Federschmuck und die Rüstung des Erzherzogs erinnert damit eher an ein schillerndes Kostüm beim brasilianischen Karneval. Mit so einem Federschmuck lässt es sich nicht kämpfen, sondern posieren.

Im Gegensatz zum heute populären Glauben von mittelalterliche Turniere bestreitenden Helden in Stahl waren die Harnische nicht nur Schutzkleidung für Kämpfer, sondern erfüllten vielfältige Funktionen. Das erste große Missverständnis ist dabei der Zeitpunkt: Harnische erlebten ihre Blüte in der frühen Neuzeit und Renaissance, nicht im Mittelalter. Das zweite große Missverständnis: Viele Ritterrüstungen boten nicht nur Schutz vor Verletzungen, sondern erfüllten symbolische Funktionen bei festlichen Anlässen am Hof, wo sie eine siegreiche und starke Männlichkeit inszenierten.

Künstlerische Einzelstücke

Plattner, auf Rüstung spezialisierte Schmiede, gestalteten Harnische als Kunstwerke. Sie schufen künstlerisch herausragende Einzelstücke - Haute Couture in Stahl sozusagen - und orientierten sich an antiker Ästhetik, oder etwa an Formen, die als türkisch empfunden wurden. Die Rüstungen fungierten aber auch als dynastisches Symbol, als hochgeschätztes Geschenk, waren Modetrend und Verkleidung und dienten mitunter sogar orthopädischen Zwecken. All diese Nuancen der frühneuzeitlichen Männlichkeitskonstruktion wurden erst in Kunst, Film und Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts zu einem simplen romantischen Ritter-Mythos verklärt - was sich heute noch in Artusverfilmungen, Mittelaltermärkten oder Serien wie "Game of Thrones"niederschlägt .

Schräge Modetrends

Das Kunsthistorische Museum geht in "Iron Men - Mode aus Stahl" diesen Missverständnissen sorgfältig auf den Grund und führt die Besucherinnen und Besucher durch die aberwitzigsten Harnische der frühen Neuzeit, die viel mehr waren als einfach ein Schutzanzug für den Kampf mit Lanze und Schwert. Gezeigt werden Rüstungen für aristokratische Zöglinge, Funeralhelme von Grabmälern, oder maßangefertigte Helme, die als Geschenke an Rivalen diplomatische Annäherungen erleichtern sollten.

Mit dem Direktor der Hof- und Rüstkammer Stefan Krause als Kurator ist die Ausstellung von Expertenhänden gestaltet worden: Der Kunsthistoriker beschäftigt sich bereits länger im Zuge von Forschungs- und Ausstellungsprojekten mit der kulturellen Bedeutung der Harnische und studierte dazu auch Originalquellen und Ritterromane. Neben den Exponaten aus der Hof- und Rüstkammer bereichern spektakuläre Leihgaben unter anderen aus dem Metropolitan Museum und der Wallace Collection in London die Ausstellung und machen aus ihr eine exklusive Luxus- Modeschau.

So wird bei "Iron Men - Mode in Stahl" mit einigen Volksmärchen aufgeräumt. Man erfährt, dass auch der Turniersport weniger mit grausamer Sensationslust denn dem festlichen Drumherum zu tun hatte. Oder inwieweit die textile Mode die stählerne beeinflusst hat: Plattner versuchten etwa, Waffenröcke aus Eisen wie wehende Stoffröcke zu gestalten, oder schufen metallene Puffärmel, um die Kleidung der Landsknechte zu imitieren. Was Maskulinität betrifft, wird deutlich, dass Genderfluidität in Form von Crossdressing und Verkleidung bei Festen und im höfischen Roman Teil der adelig-ritterlichen Kultur war - lange, bevor die Neuzeit Geschlechteridentität genau zu definieren begann.

Man würde sich wünschen, dass die Ausstellung nicht aufhört, wo sie aufhört, sondern erklärt, wie aus diesen Zeugnissen von Eitelkeit, Modebewusstsein und politischem Repräsentationsdrang der frühneuzeitlichen Aristokratie die toxische Ritterlichkeit wurde, die wir heute kennen.