Salzburg läuft wieder zur Hochform auf. Nicht beim runden Leder, denn am Rasen gewinnen die Bullen seit Jahren sowieso alles. Nein, die Stadt und ihre Festspiele erweisen sich heuer als ideales Zugpferd für kultur- und kunstinteressierte Reisende. Die Aufführungen sind gut besucht, Hotelzimmer ausgebucht. Eine erfreuliche Momentaufnahme nach Jahren kultureller Enthaltsamkeit - nicht nur für Theater, Oper und Konzerte, sondern auch für Galerien, Kunstmessen und Museen. Erfolgreiche Festspiele verleihen Galerien aus Restösterreich Flügel, temporär errichten sie Nester in der Mozartstadt, quasi als Kuckuckskinder für die ansässigen Galerien.

Wie Wienerroither & Kohlbacher und Alba aus Wien oder Reinisch aus Graz. Um es kurz zu machen: Bei Qualität und Originalität sacken die Gastspiele gegenüber den Heimmannschaften deutlich ab. Die Accrochage von Wienerroither & Kohlbacher mit Werken von Elke Krystufek, Karl Prantl oder Arnulf Rainer in der KHG Kollegienkirche provoziert mehr Ennui denn Inspiration. Bei der Galerie Alba beweist sich einmal mehr das Sprichwort "Schuster bleib ...", wenn Jedermann Lars Eidinger Fotografien zeigt, die wie eindimensionale Instagram-Aufnahmen daherkommen. Reinisch präsentiert dicht gehängte Arbeiten bekannter Künstlerinnen und Künstler konzept- wie lieblos, dafür umso marktschreierischer im Billigsupermarktambiente.

Dann lieber zu den Salzburger Institutionen und Galerien.

Den malerischen Raum ausloten

Mario Mauroner hat seine Dependance in Wien im Zuge der Pandemie geschlossen und konzentriert sich auf sein Stammhaus in den Kellergewölben der Residenz. Die gelungene, kurzweilige Sommerausstellung "Inspire me" lotet den erweiterten malerischen Raum aus. Mit Arbeiten von Herbert Brandl, Juan Uslé und Anselm Reyle bis Christian Boltanski, Rebecca Horn und Olafur Eliasson. Wobei die Klassiker in Erinnerung bleiben, wie eine großformatige, nuancierte Leinwand von Uslé (122.000 Euro), eines der seltenen, frühen Spray-Paintings Brandls (66.000 Euro) oder ein poppiges, collageartiges Werk Anselm Reyles (62.500 Euro).

Sie repräsentiert die junge Kunstszene in Salzburg. Okay, vielleicht gemeinsam mit der Elektrohalle Rhomberg. Sophia Vonier hat ihre Galerie 2019 in der Salzburger Innenstadt eröffnet und beweist durch ihr Engagement, ihre Ausstellungen und - internationale - Messebeteiligungen, dass in der Mozartstadt auch ein sehr junges, spannendes wie kontroverses, zeitgenössisches Programm möglich ist. Mit der Show "Fender" von Julia Haugeneder ruft sie bei Besuchern Erinnerungen an sommerliche Badefreuden aus Jugendjahren in Erinnerung. Die Künstlerin hat den Boden der Galerie nicht nur mit Schwimmbeckenfolien ausgelegt, sondern die Folie auch überkopf als Zeltdach installiert. Der unnachahmliche Geruch der Plastikfolie ruft diese Erinnerung wach. An den Wänden hat Haugeneder ihre kühnen "Faltungen" an Haken von Segelbooten gehängt - daher der Titel der Schau.

Ihm ist es zu verdanken, dass sich Salzburg auf der Roadmap des internationalen Kunstzirkus befindet: Thaddaeus Ropac. Seine prächtigen Ausstellungsräume in der Villa Kast beim Mirabellgarten vermitteln souverän-modernes Museumsgefühl. Das Gefühl verstärkt sich, wenn Ausstellungen wie Sean Scullys "The Shadow of Figuration" auf dem Programm stehen. In seiner für Salzburg konzipierten Ausstellung präsentiert der in Irland geborene Meister neue Arbeiten aus seinen Serien "Wall of Light" und "Landline". Scully, der auch mal kokett von sich behauptet, "gerne auch hässlich zu malen", führt oberflächliche Betrachter seiner Leinwände des Öfteren in die Irre. Jene Besucher, die lediglich die ausgeprägten Farbflächen auf sich wirken lassen, versucht er - gerade bei der "Wall of Light"-Serie - nahe an die Werke zu führen. Sie sollen, Pfadfindern gleich, die intensiven wie zarten Farblinien zwischen den vermeintlich monochromen Flächen aufspüren. Widerspenstige Farblinien, die aus den erdigen, dunklen Flächen zu entfliehen versuchen. Eine stupende Entdeckungsreise. Ein unerwarteter Höhepunkt der Show ist die Skulptur "Indoor Sleeper" aus alten, hölzernen Eisenbahnschwellen. Das massive, meterhohe, angekohlte Ding platziert Scully exakt vor dem Abgang zum Mirabellgarten und verunmöglicht so den beliebten, lieblichen Blick auf die millimetergenau komponierte Barockgrünfläche. Großes Kino.

Apropos Kino: Der Besuch der Personale von Bill Viola im Museum der Moderne ist ein Muss. Kaum jemand versteht bewegte Bilder derart beeindruckend zu inszenieren wie der Video-Magier aus New York. In seinen filmischen Dramaturgien, künstlerischen Entdeckungen der Langsamkeit, stimmt (fast) jedes Detail: von den Aufnahmewinkeln und der Kameraführung bis zur Inszenierung der Personen. Kulturtouristen sollten der Hektik der Festspiele entfliehen und sich für einige Zeit dem Viola’schen Kosmos ausliefern.