In einem ersten Teil eines Ausstellungstrios zeigt die Albertina im Haupthaus die größten Meister der Druckgrafik. In der Albertina modern wird ab Ende Februar der zweite Teil mit den Druckgrafik-Veränderungen im 20. Jahrhundert folgen. Angehängt ist außerdem Picasso mit Bildern und Grafiken.
Das Trio beginnt mit der Medienrevolution um 1430. Nach der Erfindung des Papiers mit dem Holzschnitt setzte eine erste massenhafte Vervielfältigung von Bildern ein, der etwas später der Kupferstich folgte und dann um 1500 die Radierung. Als eigenständige Kunstgattungen schufen die neuen Techniken bald der Malerei ebenbürtige Werke, die trotz hoher Auflagen am Kunstmarkt gleichen Wert erzielten. Der Name von Rembrandts "Hundertguldenblatt" bringt dies sprechend zum Vorschein. In den folgenden Jahrhunderten wurden die Experimente erweitert. Erst nach 1800 kam eine neue Drucktechnik hinzu: die Lithografie mit den Meistern Henri de Toulouse-Lautrec und Edvard Munch.
Kurator Christoph Metzger konnte im Bestand aus dem Vollen schöpfen. Mit seltenen Kloster-Farbholzschnitten beginnend, setzt er mit Martin Schongauer und seinem absoluten Favoriten Albrecht Dürer fort. Dieser, ausgebildet durch einen Goldschmied, verabscheute das Malen und bevorzugte den Kupferstich und die Radierung. Beim Holzschnitt zog er einen Spezialisten zum Schneiden zu. Das berühmte "Rhinozerus" von 1515 ist sein von einem Ateliermitarbeiter ausgeführter Entwurf. Später wurde es in Amsterdam farbig nachgedruckt.
Der Meister bewegte sich lieber in abstrahierendem Schwarzweiß der Linien, die Anregungen kamen für ihn aus Italien und den Niederlanden. In Italien traf er wohl auf den professionellen Kupferstecher-Betrieb Andrea Mantegnas, dessen mythologische Stiche am Kunstmarkt führend waren und große Nachfolgewirkung erzielten. Dürer selbst blickte auf 100 Stiche und Radierungen zurück, 260 Holzschnitte und druckgrafische Bücher.
Umbrüche und Neuerungen
Im 16. Jahrhundert übernahmen die Niederlande die Führung in der Druckgrafik. Mit Pieter Bruegel und Hendrick Goltzius besitzt die Albertina wiederum Spitzenwerke. Goltzius war stark vom Manierismus beeinflusst, er führt bizarre und fliegende Körper vor, die bis heute modern anmuten.
Rembrandts Druckertalent ist bekannt, seine radierten Selbstbildnisse stehen neben religiösen Motiven und fantastischen Landschaften. Englands innovative Beiträger zur Druckgrafik sind im 18. Jahrhundert der symbolistische John Martin und Thomas Frye. Noch hervorragender aber ist Spanien mit dem Ausnahmetalent Francisco de Goya. Sein radiertes Ausloten der Nachtseite des Menschen, der Folgen des Krieges, des Stierkampfs oder der grausamen Herrschaft sind Klassiker, die niemals unmodern werden.
Die Umbrüche vor und um 1800 hat auch Giovanni Battista Piranesi festgehalten. Dabei sind die pathetische Wirkung der Antike neben die "Carceri", seine Kerkerutopien, gestellt. Auch die Vedutisten wie Giovanni Antonio Canal haben sich als inhaltliche Neuerer durchgesetzt. Von den sozialkritischen Lithografien Toulouse-Lautrecs und Goya kamen nach Munch auch Anregungen für Käthe Kollwitz. Das Plakat eroberte den öffentlichen Raum, nicht selten ging dies mit Skandalen einher.
In Wien um 1900 gab es einen ästhetischen Höhepunkt mit der Druckgrafik der Secession. In Deutschland wurden die Drucktechniken von den Expressionisten und ihrer Innovation des "Primitivismus" aufgenommen und besonders verfeinert durch Paul Klee und Max Klinger. Georges Grosz setzt Goya inhaltlich fort, Edward Hopper das Nächtliche der Radierflächen. Ein letztes Kapitel beugt sich Richtung Gegenwart mit Ferdinand Schmutzer, Juan Miró, Marc Chagall, Paula Rego und der Wienerin Florentina Pakosta. Die Techniken werden in eingestreuten Filmen erklärt und der Katalog vereint Einzelerläuterungen der Grafikspezialisten der Albertina.