In Wiener Neustadt war das erste Flugfeld, auf dem motorisierte Flüge stattfanden. 1909 erbaut, war es bis zur Übernahme durch das Militär und Verlegung der zivilen Luftfahrt nach Aspern bei Wien der wichtigste Ort für Konstrukteure, Pilotinnen und Piloten. Aber nicht nur für sie: Auch das Interesse des Publikums war enorm. Nicht nur die zarten Fliegerinnen waren Anziehungspunkte, man wollte ebenso bei den Wettbewerben dabei sein, etwa bei den ersten "Damen-Passagierflügen". Selbstverständlich war auch die Hocharistokratie zu Besuch; 1910 reiste sogar Kaiser Franz Joseph mit einem der ersten Automobile aus Wien an. Dafür wurde dann neben Holzbauten als Hangars ein eigener Kaiserpavillon mit Café im Erdgeschoss gebaut.
Die Ausstellung im Photoinstitut Bonartes vereint eine große Anzahl von Postkarten, die damals in Millionenauflage gedruckt und verschickt wurden. Ergänzt wird das mit interessanten Fotografien aus dem Stadtarchiv Wiener Neustadt. Die Fotografen hatten es schwer mit der Bewegungsschärfe der schnell startenden und landenden Maschinen, da diese immer höher, schneller und weiter zu fliegen vermochten.
Ergänzter Himmel
Die Schau basiert auf den Forschungen des Luftfahrhistorikers Marcus Zelezny und wurde von Magdalena Vukovic kuratiert. Es gab erste Dauerflüge bis nach Wien und retour, nach denen Pilot Karl Illner als Held gefeiert wurde. Für die Postkarten musste die Stadtaufnahme hineinretuschiert und montiert werden. Auch viele der romantischen Himmel und Landschaften wurden ergänzt.
Manche Postkartensujets bestehen eigentlich aus drei Aufnahmen. Die absoluten Favoriten waren die "Etrich-Tauben" (Modell I und II): Das erste Modell glich in der Form einem Pflanzensamen das zweite einem Falken. Die "Etrich-Taube" war eigenstabil im Flugverhalten. Sie wurde daher zum Vorzeigemodell der österreichischen Luftfahrt. Es gab zwar einige Unfälle am Flugfeld, aber bis auf einen Toten blieben diese ohne Folgen, was verwundert, denn die Pilotensitze waren oft normale Korbsessel, angeschnallt wurde niemand. Sogar einen Flugsimulator gab es zum Üben.
Am 12. März 1910 schaffte es der Pilot Adolf Warchalowski mit seiner Schwägerin Anna, ganze sechs Minuten in den Lüften zu bleiben. Dieses Ereignis ging durch alle Tageszeitungen, wobei natürlich das geringe Gewicht beider eine große Rolle spielte. Die Postkartenverlage aus Wien und Wiener Neustadt kolorierten manches Sujet, die Farbsetzung führte zu besonderen Effekten. Absolute Medienspektakel waren die Besuche von Erzherzögen Rainer und Karl mit seiner Frau Zita, oder eben des Kaisers, wobei 2.000 Automobile anreisten und insgesamt 40.000 Zuschauer teilnahmen.
Die Zeitungsberichte mit enthusiastischen Wortfindungen spiegeln die Beliebtheit der Flugschauen wider. Man bezeichnete die verwegenen Piloten, deren Porträts oft in extravaganter Kleidung wie Seehundfell und den enganliegenden Lederkappen und Brillen überliefert sind, als "unsere Vogelmenschen". Mit dabei Lilly Steinschneider, spätere Gräfin Coudenhove-Kalergi, die 1911 als erste Flugschülerin ihren ersten Alleinflug absolvierte. In Modezeitschriften war sie sofort eine Ikone der emanzipierten Frauen.
Ganze Fotostrecken behandelten die Flieger, oft Militärs, die aber für die Aviatik keine Schwergewichte sein durften. Pressefotograf Carl Zapletal, Carl Kuderna oder Hoffotograf Karl Schiestl hielten nicht nur die Seehundfelljacke Hans von Umlauffs fest, sondern auch den supercool auftretenden Heinrich Bier mit charakteristischer Zigarette oder Josef Sablatinig mit langem Schal. Bier pflegte mit der Schauspielerin Frieda Gerôme als Flugschülerin aufzutreten.
Der Celebrity-Kult der High Society vor Ort war wie das Bergsteigen in diesen Jahren Hauptinteresse aller Bevölkerungsschichten. Als der Kaiser kam, wurde sogar ein Film gedreht. Es ist von "kühnen Piloten" die Rede, die in die "grenzenlosen Lüfte" aufstiegen und damit ein "Aufpeitschen der wildesten Volksleidenschaften" entfachten. Der Austro-Daimler "Rennapparat" verrät uns zudem, dass Autoindustrie und Fliegerei bei den Konstrukteuren zusammenhingen.