Neunlinge hat der Daniel Amin Zaman auf die Welt gebracht. Da war sichtlich jemand besonders schwanger. Okay, neun Bilder hat er ausgebrütet (in seinem Atelier, nicht in seinem Bauch), die sich immerhin zum Verwechseln ähnlich sehen. Und jetzt hängen sie allesamt einträchtig nebeneinander im Rauminhalt. (Rauminhalt? So wie "Volumen"? Richtig. Aber eigentlich so wie die gleichnamige Galerie.)
Die Anzahl der Bilder soll allerdings gar nix mit irgendeiner Zahlenmystik zu tun haben. Nicht einmal damit, dass eine Schwangerschaft in der Regel neun Monate dauert. Höchstens mit der Attraktivität der Zahl zwischen acht und zehn. ("Neun is a schöne Zahl.") Und gegen die 13 hat der Maler offenbar ebenfalls nichts. Wäre er nämlich ein Triskaidekaphobiker, würde er hier ja wohl kaum ausstellen. (Schleifmühlgasse 13, hallo?) Neun mehr oder weniger identische Bilder – klingt nach einer wahnsinnig spannenden Ausstellung (Ironie off). Und entpuppt sich dann tatsächlich als wahnsinnig spannende Ausstellung. Freilich ohne Ironie.
Fruchtige Malerei mit Gelee obendrauf
Und? Warum macht man so was? Malt neunmal dasselbe Bild, bitte. Tut er doch eh nicht. Er versucht es lediglich. Und dass es ihm nicht gelingt, gelingen kann, ist sein Konzept. Außerdem wäre es neunmal das gleiche Bild. Weil das Gleiche nicht dasselbe ist. Selbst gleich ist das Gleiche hier nicht. Wie man nicht zweimal in denselben Fluss steigen kann, weil alles fließt ("panta rhei") und der Bettnässer beim nächsten Mal längst weitergeflossen ist, malt der Zaman neunmal ein anderes gleiches oder anders gleiches Bild. "Same Same But Different": Der Titel der Schau sagt im Grunde schon alles. Genau so, nur anders.

Noch mehr Orange. Gestreift. Acryl, Lack und Kunstharz auf Leinwand (aufgetragen von Daniel Amin Zaman).
- © Andreas Wastian (liber.at)Ein Wiederholungstäter also, dieser Zaman. Trotzdem kein Serienkiller. Die Malerei hat auch er nicht umgebracht. Im schlimmsten Fall ist sie scheintot wie Schneewittchen im Glassarg. Bzw. ist sie hinter der "gläsernen" Kunstharzschicht, die sie appetitlich überzieht wie das Gelee den Obstkuchen, in alter Frische konserviert. Ein bissl wie die Mücke im Bernstein. Obwohl Letztere zugegebenermaßen durchaus hin ist.
Die Repetition als elementares Prinzip eines Rituals. Morgens schmiert man ja vielleicht ebenso die immergleiche Marillenmarmelade aufs immergleiche Semmerl. Und muss nicht überlegen, wann man die Kaffeemaschine einschaltet, macht alles in der bewährten, eingeübten Abfolge. Zaman: "Du musst ned jeden Tag das Rad neu erfinden." Und das bereits vor dem Frühstück. (He, lustigerweise ist das Semmerl rund! Wie ein Rad.)
Ein Orange wie ein Mantra
Hm. Und was ist droben auf den Leinwänden? (Und unter den jeweils ungefähr fünf Kilo Epoxidharz, die die Serie "I remind me of me" glänzend versiegeln?) Farbe im O-Ton. O wie Orange. (Und wie: oranger als Marillenmarmelade.) Eine Signalfarbe, die "ein bissi meinen indischen Genpool repräsentiert", wie der Künstler meint. Weil im Land der heiligen Kühe das Orange bekanntlich allgegenwärtig ist. ("Mein Vater ist aus Mumbai gebürtig und mei Mutter aus Kaprun.")
Sein Orange (ein Orange wie ein Mantra, ein vibrierendes Om) ist übrigens gestreift. Wobei die strengen Grenzen zwischen den Streifen verwischen, die Härte der geradlinigen Geometrie, des Lineals, verweichlicht. Nebulose Schatten legen sich quasi rhythmisch quer. Und durch die Reflexionen und weil das leicht unebene glossige "Gelee" die kontemplative Monochromie im Vorbeigehen dezent zum Schwanken bringt, fällt der Blick nie zweimal auf das gleiche Bild, ungeachtet dessen, dass es sich um ein und dasselbe handelt (das sich aber halt während der Betrachtung ständig verändert). Dennoch: "Die Spiegelung ist nicht Teil des Bildes." Nicht?

Mit der Stillen Post zugestellt: Daniel Amin Zamans Neunlinge.
- © Andreas Wastian (liber.at)Ein gutes Jahr an Entwicklung hat ihn seine aufwändige Technik gekostet. Zaman: "Ich hab da acht bis zehn Wasserwaagen im Einsatz." Weil das vielschichtige Acrylbild "komplett plan liegen" muss, bevor besagtes Harz als eine Art dicker Firnis draufgegossen werden kann. Und das permanente Wiederkäuen? Bewusste Entschleunigung. Ein Kontrapunkt zum fetischisierten Unikat und zum zwanghaften Individualismus und Originellseinmüssen.
Scheitern als Erfolgsrezept
Ein Original und acht Kopien? Falsch. Neun Originale. Davon acht "Originalreproduktionen" (Zaman) – "im ganzen Zwiespalt des Wortes". Kopien mit originaler Aura sozusagen. Alle einzigartig. Das erste Bild, gewissermaßen der Prototyp, wird kopiert, nachher diese Kopie kopiert, als Nächstes von der kopierten Kopie eine Kopie angefertigt, daraufhin die Kopie der kopierten Kopie kopiert und so weiter. Jede neue "Originalkopie" dient der nächsten folglich als Vorlage, ist deren Vorbild. Wie Stille Post. Bloß visuell statt verbal. Theoretisch kommt am hinteren Ende "was anderes raus". In der Praxis ist es ohnehin nicht "so weit gekommen". Das Orange ist nach wie vor . . . orange. Der Zaman ist schließlich kein Kopierapparat, der ein weißes Blatt irgendwann schwärzt. Weil sich der Grauschleier mit jeder Generation intensiviert.

Einmal geht's noch. Kann Daniel Amin Zaman neunmal das gleiche Bild malen? Ja und nein.
- © Andreas Wastian (liber.at)Dem Perfektionismus der gephotoshoppten Selbstinszenierer in den sozialen Netzwerken, deren Unfehlbarkeitsdogma, antwortet Zaman mit seinem Erfolgsrezept: Scheitern. (Nicht das absolute wie beim Sisyphos, dem Leider-nein-Gipfelstürmer, der zudem wirklich jedes Mal denselben Felsbrocken den Berg hinaufgerollt hat und immer unmittelbar vorm Gipfelsieg verloren hat, nämlich den Stein.) Ritualisiertes Versagen als fruchtbare künstlerische Strategie. Oder wie er es nennt: "gelingendes Misslingen." Operation "Scheitern" gelungen, Malerei lebt noch. Dass ihm das Missglücken ausgerechnet mit der Zahl der Vollkommenheit glückt (Neun enthält dreimal die in diversen Kulturen "göttliche" Drei), mag Zufall sein, doch entbehrt es nicht einer gewissen Ironie.
Picassos orange Periode war aber blau
Ästhetisch sind die Arbeiten in der Galerie, nebenbei bemerkt, gereiht, nicht chronologisch. Könnte er noch rekonstruieren, welches das Urbild gewesen ist? Kurze Nachdenkpause, einen Gedankenstrich lang. "Vermutlich schon."
Bei den 32 Seilen ("rope after rope"), die er geduldig mit Synthetikwolle umwickelt hat (ein "Pandemieprodukt", jedes Seil circa eineinhalb Tagewerke), täte er sich mit der Datierung deutlich schwerer. Nur so viel weiß er: "Die orangenen waren vorher." Aha. Und danach hatte er eine rosa Periode. Wie der Picasso (dessen orangefarbene allerdings blau war). Objekthafte Zeichnungen? Minimalistische, zumal man diese kräftigen orangen und rosa Linien einzeln kaufen kann? Lauter serielle Einzelstücke jedenfalls. (Hätte er die Juteseile in das Orange und das Rosa eingestrickt, hätte er definitiv noch länger mit der Wolle meditiert.)
Keine rein intellektuellen (und rituellen) Spielereien. Äußerst lustvolle vielmehr. Was überaus Sinnliches.

32 Juteseile ("rope after rope" per Hand von Daniel Amin Zaman mit Acrylwolle umwickelt), aber nicht alle sind orange. Weil Rosa auch eine schöne Farbe ist.
- © Andreas Wastian (liber.at)