Die in Wien lebende Hamburger Künstlerin Birke Gorm studierte Malerei, Textildesign und zuletzt an der Wiener Akademie Bildhauerei. Ihre Assemblage "dead stock" in der Kellergalerie im MAK ist in drei Teilen konzipiert, auffallend sind die Materialien, die sie dafür benützt, um eigenwillige Figuren zu formen.

Sie haben statt Köpfen Taschen im Korpus aus Jutesäcken eingesteckt. Im kapitalistischen Jargon bedeutet der Begriff "dead stock" tote, überflüssige Waren und Reste, die von Gorm als Kunstmittel gesammelt werden. Der Arbeitsprozess ist historisch überlieferter häuslicher Arbeit von Frauen angenähert, die vor der zumeist männlich bestimmten Lohnarbeit des Industriezeitalters abgelöst wurde. Arte memoria der aktuellen Kunsttendenzen also.

Reste von Alltagsgegenständen werden vom Restmüll zu künstlerischer Aussage gewandelt und aufgewertet. Neben Sichtbarmachen konstruierter Geschlechterhierarchien ist die Ressourcen-Knappheit in die geistigen Schichtungen integriert.

Neun Gruppen dieser Wesen in menschlicher Größe werden durch die Taschen dominiert, die wiederum Füllungen zeigen zum Tragen von Eigentum. Auch dabei geht Gorms Forschung bis in die Antike zurück, als nur Männer mit Taschen im öffentlichen Raum unterwegs waren und agieren konnten - für Frauen kam die Tasche, um Besitztümer in der Gesellschaft mitzunehmen, erst ab dem 17. Jahrhundert auf und Taschen in Kleidungsstücken stehen am Ende der textilen Produktion.

Es ging aber nicht nur vorwärts in der gesellschaftlichen Entwicklung. So war die Frau in der feudalen Barockgesellschaft weniger ausgegrenzt als danach.

Der weibliche Körper als ein Gefäß (vessel) ist eine weitere Sinnebene, die aber durch eine Installation von kleinen am Boden liegenden Skulpturen mit Glühbirnen an ihren Enden ergänzt werden. Sie setzen sich als Schlangen und eingestreute Linien aus Elektrokabeln, rostigem Altmetall, auch Nägeln zusammen, die Perlen oder Schmuck ähnlich, die Körpergefäße aus Jute umspielend begleiten.

Woraus man früher gerne moderne Kerzenständer designte, wird hier sozusagen ein den femininen Arbeitswelten gedenkender Ready-made-Boomerang, dem Auslöser der früher männlich dominierten Konzeptkunst Antwort gebend. Birke Gorm ergänzt allerdings noch mit einem Booklet, das ihre Gedanken in eine Erzählung einbaut, die von Materialaufzählungen gespickt, die Wanderung durch ein fiktives Haus wie durch ein Gedankenatelier der Künstlerin durchschreitet. Auch wenn die vielen philosophischen und kunsthistorischen, ja sogar wirtschaftswissenschaftlichen Referenzen nicht so leicht mit der disparaten Sitzgruppe an drei Wänden kombiniert begriffen werden kann, ist es eine wilde Mischung zu aktuellen Themen der Gegenwartskunst, wie sie auf vielen Biennalen und Documentas zuletzt zu sehen war; Arte-povera-Erinnerungen und andere Tendenzen der 1970er Jahre inklusive. In Wendezeiten und wirtschaftlicher Verknappung nach ungezügeltem Konsumrausch bieten sich die integrierten historischen Rückblicke aber an, um über diese Taschenkörper weiter nachzudenken.