Der international renommierte österreichische Medienkünstler, Theoretiker, Kurator und Museumschef Peter Weibel ist 78-jährig gestorben. Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Kultur würdigen den langjährigen Leiter des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medien (ZKM). Nachfolgend eine Auswahl der zentralen Reaktionen:
****
Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler (Grüne):
"Sein wacher, vielseitiger Geist preschte oft meilenweit voraus und konnte erbarmungslos unbequem sein. Und immer voller ungewöhnlicher Ideen. Wer ihn kannte, wird ihn schmerzlich vermissen."
****
Künstlerin VALIE EXPORT:
"Mit großer Bestürzung habe ich heute vom Ableben Peter Weibels erfahren. Zuletzt haben wir uns vergangenes Jahr bei der Verleihung des Max Beckmann-Preises in Frankfurt gesehen und ausgetauscht. Mit Freude und großer Sympathie haben wir beide weiteren Gesprächen in Wien entgegengeblickt. In den späten 60ern arbeiteten wir gemeinsam am Bildkompendium Wiener Aktionismus und Film. In unserer künstlerischen Praxis bereicherten wir uns wechselseitig. Peter Weibel und ich waren in Freundschaft und Respekt miteinander verbunden."
****
Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien:
"Durch den Tod von Peter Weibel verliert die Universität für angewandte Kunst Wien einen der bedeutendsten Denker, Forscher und Lehrer ihrer Geschichte. [...] Peter war seiner Zeit immer etwas voraus und gab viele grundlegende künstlerische und wissenschaftliche Impulse."
****
Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP):
"Mit Peter Weibel verlässt uns Österreichs bedeutendster Kunst-und Medientheoretiker, dessen umfangreiches Lebenswerk uns noch lange begleiten und inspirieren wird. [...] Weibel legte den Grundstein für das, was heute zur DNA unseres Bundeslandes gehört - die Medienkunst."
****
SPÖ-Kultursprecherin Gabriele Heinisch-Hosek:
"Es ist unmöglich, die Vielfältigkeit seiner Tätigkeit und seiner Interessen umfassend zu beschreiben. Er wird uns fehlen."
****
Baden-Württembergs Kunstministerin Petra Olschowski (Grüne):
"Seine avancierten Ansätze waren immer herausfordernd, denn in seinen oft brillanten Konzepten war Peter Weibel dem Heute oft voraus."
Universität für angewandte Kunst Wien: Wir trauern um Peter Weibel
"Mit Bestürzung und Trauer müssen wir Kenntnis geben und zur Kennntnis nehmen, dass unser Freund, unser Lehrer, der Künstler, Denker und Forschende Peter Weibel gestern abend viel zu früh und überraschend verstorben ist", erklärt der Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien, Gerald Bast. Durch den Tod von Peter Weibel verliert die Universität für angewandte Kunst Wien einen der bedeutendsten Denker, Forscher und Lehrer ihrer Geschichte. Er lehrte und forschte von 1976 bis 2012 als ordentlicher Professor an der Angewandten, wo er Europas erstes Studium für Medienkunst etablierte und blieb auch nach seiner Emeritierung 2012 als emeritierter Professor an der Angewandten tätig. Als Künstler und Theoretiker prägte und förderte er Generationen von Studierenden und Künstler:innen. Weibels Einfluss reichte weit über die Angewandte hinaus. "Peter war seiner Zeit immer etwas voraus und gab viele grundlegende künstlerische und wissenschaftliche Impulse", so Bast.
Peter Weibels besonderes Interesse galt der Idee einer synergetischen Verbindung von Wissenschaft und Kunst, ein künstlerisch-wissenschaftliches Multiversum, das er in seiner letzten Ausstellung Renaissance 3.0. Ein Basislager für neue Allianzen von Kunst und Wissenschaft im 21. Jahrhundert., die er für das Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe vorbereitete, noch einmal ausbreiten wollte und auf deren Eröffnung am 25.3.2023 er sich sehr freute.
Die Angewandte wird Peter Weibel stets in dankbarer Erinnerung halten und seine Ideen werden – nicht zuletzt im Rahmen des Peter-Weibel-Forschungsinstituts für digitale Kulturen an der Angewandten, das er seit 2017 leitete, noch vielen Menschen Anregung und Ansporn für ihre wissenschaftlich-künstlerische Arbeit sein. Das Institut wurde 2017 gegründet, als Peter Weibel sein Archiv der Angewandten schenkte, auf dessen Basis das Forschungsinstitut eingerichtet wurde. Im Jahr 2014 erhielt Peter Weibel den Oskar-Kokoschka-Preis für sein künstlerisches Gesamtwerk, das über die Performance, die Konzeptkunst, den Experimentalfilm bis zur Medienkunst und interaktiven Installationen reicht.
Peter Weibel, 1944 in Odessa/Ukraine geboren, studierte ab 1964 in Wien Medizin und wechselte schließlich zur Mathematik mit Schwerpunkt Logik. In seinen performativen Aktionen untersuchte er nicht nur die "Medien" Sprache und Körper, sondern auch Film, Video, Tonband und interaktive elektronische Umgebungen. Neben Aktionen mit Vertreter:innen der Wiener Gruppe und des Wiener Aktionismus - dem er den Namen gab - arbeitete er ab 1966 mit Valie Export, Ernst Schmidt jr. und Hans Scheugl an einem "erweiterten Kino", das die ideologischen und technischen Bedingungen filmischer Darstellung dekonstruiert. 1978 wendet sich Weibel der Musik zu. Er gründet zusammen mit Loys Egg die Band Hotel Morphila Orchester. Anfang der 1990er Jahre realisiert er erste interaktive computerbasierte Installationen, mit denen er wiederum das Verhältnis von Medien und Wirklichkeitskonstruktion thematisiert. In den letzten Jahren beschäftigt er sich in seinen Arbeiten verstärkt mit politischen und wirtschaftspolitischen Themen, jedoch immer mit allergrößter Leidenschaft der Verbindung von Wissenschaft und Kunst.
Pressestimmen zum Tod des Medienkünstlers
Der Tod des international renommierten österreichischen Medienkünstlers, Theoretikers, Kurators und Museumschefs, Peter Weibel, fand regen Niederschlag in den österreichischen Tageszeitungen und in anderen Medien im deutschsprachigen Raum. Eine Auswahl an Stimmen sowie Programmänderungen des ORF.
"Süddeutsche Zeitung":
"Wissbegierde war sein Lebenszweck. Und gepaart mit einem oft schalkartigen Charme, mit dem er besonders auf das Ungewöhnliche, Abseitige und Vielversprechende mit herzlicher Zuneigung reagierte, erbaute er sich einen universellen Bildungskosmos. (....) Alle, die auch nur kurz eine fulminante Unterhaltung mit ihm haben durften, werden ihn und seine demiurgische Neugier sicher nie vergessen."
"Frankfurter Allgemeine Zeitung":
"Als wandelnder Assoziationsgenerator und Zeitgeistdurchdringer war der Künstler, Kurator und Publizist, der Kunst- und Medientheoretiker, Impresario und Tausendsassa präsent und zugleich schon wieder unterwegs in Richtung Zukunft, und das mit einer über Jahrzehnte andauernden ungebrochenen Produktivität - man kam kaum hinterher."
Zeit.de:
"Er verblüffte mit seiner übermäßigen Informiertheit so sehr, dass mancher sogar darüber spekulieren mochte, ob die durch die Luft schwirrenden Nachrichten vielleicht auf direktem Weg zu ihm gelangten, er also gar nicht auf Zeitungen oder das Internet angewiesen sei, um sich zu informieren."
"Kurier":
"Peter Weibel entglitt seit jeher den Versuchen der schnellen Erfassung. Wie ein Tropfen Quecksilber war er immer schon woanders, wenn man dachte, man hätte ihn an einem Ort seines Denkens und Tuns erfasst: 'Medienkünstler', 'Theoretiker', 'Hochschulprofessor', 'Musiker', 'Wissenschafter' - alles nur Facetten einer Persönlichkeit, die permanent aufblitzte und Energieströme aussandte."
"Kleine Zeitung":
"Und er war auch der Mann mit der schnellsten Zunge der Welt. Vor allem war sein Verstand wie seine Zunge: schnell und scharf. (...) Mehr als 50 Jahre lang prägte Peter Weibel wie kaum ein anderer die Medienkunst und den Kunstdiskurs im deutschsprachigen Raum. Sein Metier sah der Mann mit stets konstruktiven, oft kontroversiellen Gedanken zu rückwärtsgewandt und immer kritisch."
"Der Standard":
"Den ehrgeizigen Traum der Avantgarde, Wirklichkeit mit Kunst zu fluten und sie dergestalt zu überwinden, verwirklichte der Medienkünstler Peter Weibel mit apollinischer Anmut. (.....) Weibel war nie dort, wo ihn die schwerfälligen seiner Betrachter vermuteten. Er war längst weitergereist, atemlos auf den Schwingen seines unentwegt theorienproduzierenden Geistes."
"Die Presse":
"Mit Peter Weibel starb die interessanteste Persönlichkeit der Wiener Kunstszene seit 1945. Er war vieles zugleich - und galt dadurch manchen zu wenig. Seine frühen Aktionen sind ikonisch, seine Lehre war visionär, seine Ausstellungen epochal."
"Profil":
"Weibel war der Prototyp eines freien Denkers, der weniger strategisch als euphorisch-fabulierend vor sich hin assoziierte und reflektierte: ein Lustdenker par excellence, der Kunst (und letztlich auch der Poesie) deutlich näher als der Wissenschaft."
"Salzburger Nachrichten":
"Das Streitbare hat er ebenso verinnerlicht wie die Fokussierung auf Innovation und immerwährende Subversion. Zwischen Kunst und Wissenschaft schlug er tragfähige Brücken und für eine österreichische Künstlerseele war er erstaunlich stark von Rationalität und Logik geprägt."
"Tiroler Tageszeitung":
"Als einer, der seiner Zeit immer ein großes Stück voraus war, wird Peter Weibel der Kunstwelt fehlen. Das Visionäre seines Denkens, das Diskursive seines kunsttheoretischen Ansatzes, das Filtern der Wirklichkeit mit diversen Spielarten des Medialen. Das nachzuvollziehen er seinen Mitmenschen allerdings nicht immer leicht gemacht hat."
orf.at:
"Er war der Theoretiker und Vordenker von Medienrevolutionen, allen voran jener der Telegrafie und aller Folgen, die daraus entstanden sind. Weibel tat das immer ein bisschen atemlos - nicht, weil ihm das Thema zu groß war, sondern weil er immer wohl von der Ahnung getrieben war, das Leben sei zu kurz für alles, was zu sagen und zu denken ist."
****
Der ORF reagiert mit Programmänderungen auf den Tod Weibels. So ist am 6. März um 22.30 Uhr im "kulturMontag" ein Nachruf auf den Künstler geplant. Anschließend steht das Porträt "Peter Weibel - Mein Leben" von Marco Wilms auf dem Programm (23.15 Uhr). Auf ORF III ist heute, Freitag, ein Schwerpunkt in "Kultur Heute" (19.45 Uhr) Weibel gewidmet. Zu Gast bei Moderatorin Ani Gülgün Mayr sind Ars Electronica-Mitbegründerin Christine Schöpf, der Rektor der Universität für angewandte Kunst Gerald Bast oder auch mumok-Chefkurator Rainer Fuchs und Amina Handke, die einst bei Weibel studierte.
Im ORF-Radio stehen die Ö1-"Spielräume" heute, Freitag, ab 17.30 Uhr ganz im Zeichen Weibels. In den "Passagen" ist am Montag, den 6. März ab 16.05 Uhr ein Mitschnitt eines Auftritts von Peter Weibel und dem Hotel Morphila Orchester 2015 im ORF-RadioKulturhaus zu hören. Online ist eine "Radiokolleg"-Folge der Langzeitserie "Positionen in der Kunst" nachzuhören. (red)