Peter Weibel war ein früher Vertreter der Konzeptkunst und gilt zu Recht als Hauptakteur für die Etablierung der neuen Medien. Kürzlich trat er als langjähriger Leiter des Zentrums für Kunst und Medien in Karlsruhe zurück und wollte nach Wien übersiedeln, wo er seit 2017 an der Angewandten Direktor eines Forschungsinstituts für digitale Kulturen wurde, nachdem er seit den 1970er Jahren dort unterrichtete. Auf zahlreichen anderen Universitäten lehrend, war er auch Ausstellungskurator, Leiter und Berater der Ars Electronica in Linz, sowie jahrelang Kommissar für die Biennale in Venedig.
Nie zeigten er oder sein Werk Altersspuren, doch sein Herz war durch sein exzessives Dauerarbeiten schon lange angeschlagen. Nur die notwendigen Filmapparate, Tonbänder und Röhrenbildschirme in Ausstellungen machten klar, wie sehr auch die Medienkunst in die Jahre gekommen ist. Die Anliegen des Künstlers blieben brandaktuell wie das Feuer am Handschuh als Mitakteur in "Kunst und Revolution" 1968. Der brennende Handschuh begleitete damals im Hörsaal 2 des Neuen Institutsgebäudes der Universität seine Rede gegen die Regierung. Ehemals Skandal, ist die legendäre "Uni-Ferkelei" mit Günter Brus, Oswald Wiener, Otto Muehl und anderen in die Kunstgeschichte eingegangen.
Singvögel und Schlangen
Wie Oswald Oberhuber stand Weibel für die ständige Veränderung in der Kunst, ein festgeschriebener Kunstkanon nach 1945 war für ihn undenkbar, das Publikum wurde in seinen Ausstellungen und Aktionen aktiv eingebunden, durfte taktil eingreifen. Es war ein Erfahrungsparcours, ungewohnt sinnlich, nicht immer schockierend wie seine Parolen. Unberührt ließ seine Arbeit keinen, zuweilen waren auch Singvögel und Schlangen Mitakteure.
Weibel ist nicht nur selten erwähnter Mitbegründer des "Wiener Aktionismus", Akteur und Kameramann der ersten Stunde, er prägte auch diesen Begriff, frei nach Kurt Schwitters "Material-Aktionen". Mit Muehl veranstaltete er als "Institut für direkte Kunst" 1966 in der Avantgardegalerie nächst St. Stephan "Zock", nachdem beide mit Hermann Nitsch in London zum "Destruction in Art Symposium" eingeladen waren.
Damals wurden "Aktionen" und "Happenings" auch in Europa wichtig, als Verehrer der "Wiener Gruppe" hob er besonders Ernst Jandl hervor, der durch eine "Lecture" in der Londoner Albert Hall die dortige Avantgarde auf die Wiener Protagonisten aufmerksam gemacht hatte. Die Maxime der Dekonstruktion war kulturpolitische Ausgangsbasis für den 1944 in Odessa geborenen Künstler, der in Wien Medizin und Mathematik studierte. Doch die Logik der Sprache nach Ludwig Wittgenstein lenkte ihn wie die frühe TV-, Video- und Computerkunst. Auf erste Medienarbeiten und experimentelle Filmen wie "Fingerprint" folgten 1968 die gemeinsamen Straßenaktionen mit Valie Export als "Expanded Cinema".1968 fand auch in Melk erstmals die begehbare Schriftinstallation "Das Recht mit Füßen treten" statt, die zuletzt 2020 in die "The Beginning"-Schau der Albertina Modern eingebaut werden konnte.
1971 begann er mit seiner Partnerin und späteren Ehefrau Susanne Widl zu drehen und Installationen zu konzipieren. Dabei "Festung Europa" oder die 1975 am Papier konzipierte, erst 2015 verwirklichte "Musikausstellung" mit in Beton gegossenen Instrumenten als Arte memoria neben Fotos von nationalsozialistischen Tätern und ihren Opfern im Bereich der Musik. Dazu spielte Weibel mit seinem legendären "Hotel Morphila Orchester", das seit 1978 existierte (Loys Egg, Paul Braunsteiner und Didi Kern) und immer wieder auftrat in Wien – zur Freude der Fans. Weibel war ein besonderer Förderer der "Neuen Geometrie" um Richard Kriesche, Marc Adrian und Helga Philipp, da diese Richtung seiner Vorliebe für Logik entsprach. Er arbeitete auch früh mit Neonschriften, die durch Lichtwechsel Wortsilbenspiele ermöglichten.
Schriften auf dem Körper nutzte Weibel zu medialen Konstrukten und nicht zu Zeichen der damals stattfindenden sexuellen Revolution. Damit tauschte er den narzisstischen Körperkult der Aktionisten in seine Körperpolitik, beachtete früh Genderfragen und die körperliche Befreiung durch technische Medien. Zuletzt löste sein Statement in "Emma" neben Alice Schwarzer und Sarah Wagenknecht gegen Waffenlieferungen an die Ukraine Unruhe aus, seine persönliche "Vulkanologie der Emotionen" wird allen Freunden stets in Erinnerung bleiben. Am Mittwoch ist Peter Weibel kurz vor seinem 79. Geburtstag gestorben.