Richtig malerisch liegen sie da, die Gedärme des Lamms. Das ist auch kein Zufall, also die Inszenierung auf dem Foto, sagt Kuratorin Julia Moebus-Puck, denn das Bildhafte war es, wovon Hermann Nitsch von jeher ausgegangen ist. Was man nur mitunter im ganzen Spektakel des Orgien Mysterien Theaters übersehen kann. Eine neue Ausstellung im Wiener Westlicht legt nun den Fokus darauf. Es ist die erste breite Präsentation von Fotos in Nitschs Werk. Der Zeitpunkt kommt nicht von ungefähr, im April jährt sich der Tod des Künstlers zum ersten Mal, und die Frage, wie seine flüchtige Kunstform dokumentiert werden kann, stellt sich mit einer gewissen Dringlichkeit.
Dabei ist die Fotografie kein eigentlicher Teil des von Nitsch angestrebten Gesamtkunstwerk-Konzepts. Dafür ist sie zu wenig im Moment, zu wenig sinnlich. Allerdings ist sie Nitsch auch oft wiederum zu eindrücklich gewesen, so erinnert sich Moebus-Puck an sein Postulat von "Fotos ohne Mätzchen".
Bis zum
Polizeieinsatz

Über die Jahre beziehungsweise Jahrzehnte entwickelte sich der Bezug zur Fotografie - und auch wieder nicht. Das zeigt die Ausstellung ganz gut. Sie beginnt mit Bildern der 3. Aktion 1963, die er gemeinsam mit Otto Muehl in einem Keller durchgeführt hat. Fotografiert hat hier Ludwig Hoffenreich, und er hat nicht nur das oben beschriebene Innere eines Lamms festgehalten, sondern auch Hermann Nitsch, auf einem Bett liegend, das Lamm blutet auf ihn und das schon besudelte Bett hinunter, Muehl hat ein Organ in der Hand, das noch auf seinen Einsatz wartet. Apropos Einsatz: Ein Polizeieinsatz beendete diese Aktion schließlich vorzeitig, und auch das hat Hoffenreich festgehalten - auf Kontaktabzügen sind interessierte bis aufgebrachte Menschenmengen und ein durchaus gefasster Polizist zu sehen.
Daneben waren Fotografien für Nitsch aber auch Übungsmaterial, er testete seine "Körpergrammatik", etwa in der 5. Aktion 1964, bei der es kein Publikum gab, sondern nur Fotos etwa von Penisspülungen inszeniert wurden. "Er übt da, welche Substanzen - er hat ja Kleister, Milch, Wasser verwendet - wie wirken, wie Körperteile ausgerichtet werden sollen, seine christlich-liturgische Bildsprache wird da erarbeitet", erklärt Moebus-Puck. Oft sind auch Einringelungen zu sehen, mit denen der Künstler den besten Ausschnitt markiert hat.
Nitsch hatte immer wiederkehrende Modelle, sein Favorit war Heinz Cibulka, er entsprach seinem idealen Männerkörper und ist dementsprechend häufig in der Schau zu sehen. Also zumindest sein Torso. Aber auch Rudolf Schwarzkogler "posierte" für Nitsch, im Gegenzug tat dies auch Nitsch für ihn - ein solcher Austausch ist ebenfalls in der Austellung zu sehen.
Orgiastischer
in Farbe
14 Fotografen und Fotografinnen sind in der Schau vertreten, unter anderem Franziska Cibulka, die Frau von Heinz, Lisl Ponger, deren Kontaktabzüge von Schlachthausbegehungen zeigen, dass auch die Vorbereitung zur Kunst zu Kunst werden kann. Oder Beate Nitsch, die Frau des Künstlers, die 1971 Prinzendorf erwarb und deren "Requiem" - sie starb bereits 1977 - auch den tinnitus-ähnlichen Soundtrack zur Ausstellung liefert.
Zwar logisch, aber doch erstaunlich ist die unterschiedliche Wirkung der Fotos, sobald sie in Farbe getaucht werden. Etwa die Fotos von der 80. Aktion, dem Drei-Tage-Spiel 1984, wo reinweiße Gänse vor einem aufgebrochenen, tiefroten Tierkadaver paradieren, im Hintergrund stehen noch pink-rote Blumen. Das Blut in Schwarz hatte noch eine weit klinischere Anmutung, in seinem originalen Rot wird das Orgiastische erst brutal deutlich. Das Neutrale, das Nitsch bei Fotos wichtig war, hat da eigentlich keine Chance. Vielleicht irrte er da. Denn gerade mit dem "Mätzchen" Farbe ist die Dokumentation seiner Kunst viel nachhaltiger.