Natürlich - verglichen mit der Erbauung des Stephansdoms ist das alles nichts. Für ein Bauprojekt der Gegenwart hat sich das Wien Museum neu allerdings ein üppiges Zeitbudget gegönnt. 2009 - 14 Jahre her - versprach der damalige Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny dem Ausstellungshaus am Wiener Karlsplatz großzügige, neue Räumlichkeiten; ein Baubeginn, hieß es wenig später, sei schon im Jahr 2011 vorstellbar.
In den Folgejahren geschah allerdings herzlich wenig in der Sache - abgesehen von Spekulationen über den Standort des neuen Hauses, das sich manche beim noch unfertigen Hauptbahnhof, andere am bisherigen Platz wünschten. Erst im Jahr 2014 sollte diese Grundsatzfrage entschieden werden: Eine damalige Pressekonferenz bescherte der Öffentlichkeit zwar nichts Konkretes, aber immerhin eine Zeichnung vom Karlsplatz, auf dem ein schmuckes rosa Sechseck prangte - das markierte jene Fläche, auf der das Wien Museum nach dem Willen der Stadtväter ein wenig in die Breite wachsen durfte.
Bis an dieser Stelle Bagger und Kräne anfuhren, sollte allerdings wiederum Zeit vergehen. 2015 wurde erst einmal ein Architekturbewerb anberaumt und ein Gewinner gekürt; die Siegerpläne des österreichischen Architektenteams Winkler+Ruck und Ferdinand Certov sahen eine Aufstockung des denkmalgeschützten Baus von Oswald Haerdtl (1899 bis 1959) um zwei Etagen vor. Fünf weitere Jahre zogen dann noch ins Land, bis im Ausstellungshaus am Karlsplatz wirklich die Bauarbeiter zu werken begannen. Würde das Wien Museum, fragte man sich angesichts all der Gemächlichkeit, eines Tages tatsächlich wieder öffnen - und würde dies noch vor der nächsten Wiederkehr des Halleyschen Kometen passieren?
Erstaunlich, aber: Die Türen des Museums sind nun tatsächlich wieder aufgegangen. Allerdings erst einmal nur für Journalisten. Sie durften am Donnerstag die weitgehend fertiggestellten Bauarbeiten in dem Gebäude in Augenschein nehmen. Die Öffentlichkeit wird sich damit noch bis zum Dezember gedulden müssen: Bis dahin werden die Objekte der Dauerausstellung in die Räume eingebracht, die Wiedereröffnung ist für den Nikolaustag anberaumt.
Neu und Alt berühren sich nicht
Imposant wirkt das Haus nun schon von außen. Das liegt vielleicht nicht so sehr an dem neuen Empfangspavillon: Der gläserne Vorbau wird sich wohl erst dann richtig beurteilen lassen, wenn die Bauzäune rundum verschwunden sind. Die Fassade der
Haerdtl-Architektur besticht jetzt allerdings durch Eleganz, ist mit Kalkstein (Dolit) und Marmor ausgestaltet worden und kommt damit dem ursprünglichen Zustand sehr nah, betonen die Architekten Winkler und Certov bei ihrer Führung durchs Haus. Die charakteristischen Fensterflächen sind gleich geblieben, wurden aber mit einem elektrochromatischem Glas bestückt. Das werde dem Haus einige Maßnahmen zum Sonnenschutz und zur Kühlung ersparen, heißt es. Überhaupt will die Ausstellungshalle der Stadt Wien künftig in Ökobelangen ein Musterknabe sein: Dank der unterirdischen Wärmepumpen und der Photovoltaik auf dem Dach werde man weitgehend energieautark.
Von außen betrachtet, ist der Blickfang natürlich das oberste Geschoß: Die Architekten haben dem 50er-Jahre-Bau einen gewaltigen Kubus aufgesetzt, der bei näherer Betrachtung allerdings nicht klobig wirkt. Dafür sorgt nicht nur die helle Farbe des Betons, die mit den Fassadensteinen korrespondiert, sondern auch so etwas wie eine Schraffierung: In mühsamer Handarbeit haben Hämmer filigrane Linien in den Beton geklopft.
Das oberste Geschoß wirkt auch von innen imposant: Es wird den Sonderausstellungen, die im Wien Museum bisher beengt zwischen Tür und Angel abgehalten wurden, künftig 1.200 Quadratmeter bieten. Auch der ebenfalls neue Stock darunter hat seine Reize: Das sogenannte Fugengeschoß, oberhalb des Haerdtl-Baus, unterhalb des neuen Betonquaders, bietet Räumlichkeiten für Veranstaltungen, Kunstvermittlung und ein Café, außerdem eine Terrasse mit malerischem Blick über den Karlsplatz. Diese luftige Fläche soll den Menschen künftig (wie die "Libelle" im Museumsquartier) ohne Konsumzwang zur Verfügung stehen und ist über einen Aufzug oder auch Stufen erreichbar.
Beeindruckend auch, wie die Zubauten fixiert worden sind. Sie kleben nicht etwa huckepack auf dem Haerdtl-Museum. Vier massive Metallbänder stabilisieren das Obergeschoß, das Gewicht wird durch Pfähle gestützt, die bis zu 40 Metern tief in der Erde stecken. Bemerkenswert auch: Neuer und alter Gebäudeteil berühren einander nicht, sondern sind durch Fugen getrennt. Das soll verhindern, dass sich im Fall eines Erdbebens die Schwingungen von einem Teil auf den anderen fortpflanzen.
Auch Dauerausstellung wächst
Dank des Um- und Neubaus wächst auch die Dauersausstellung - nämlich von rund 2.000 auf 3.000 Quadratmeter. Sie wird im Erdgeschoß hinter dem Foyer beginnen und sich über den ersten und zweiten Stock erstrecken. Eine weitere Optimierung: Die Dauerausstellung lässt sich künftig auf einem besseren Weg besichtigen, nämlich auf einer schraubenförmigen Route, die vom Erdgeschoß hinauf in den zweiten Stock führt; damit wird das Hin- und Zurückgehen auf einer Etage obsolet.
Fehlen eigentlich fast nur noch die Exponate. Die werden nun nach und nach gemäß einer Ausstellungsarchitektur von Robert Rüf und Larissa Cerny eingebaut. Nur ein Exponat prangt schon jetzt im Haus: der zwölf Meter lange sogenannte Praterwal. Er ist bereits im Vorjahr mit einem Kran ins Gebäude gehievt worden. Bis er Besucher begrüßen kann, werden noch acht Monate vergehen - ein Termin, der allerdings halten dürfte.