Hunderte Rahmenmuster sind fein säuberlich in den bis zur Decke reichenden Regalen geschlichtet – und Georg Smolka weiß genau, welche Stilrichtung, welches Profil wo zu finden ist. Der gelernte Vergolder führt das Rahmengeschäft in der Wiener Innenstadt in dritter Generation: "Mein Großvater hat den Betrieb gegründet, ein Ein-Mann-Unternehmen im achten Wiener Gemeindebezirk. Als es mein Vater übernommen hat, war es schon ein etabliertes Geschäft im ersten Bezirk. Heute führe ich es und in der Werkstatt im vierten Bezirk arbeiten meine beiden Söhne, meine beiden Geschwister und ein Freund meines Bruders – ein echter Familienbetrieb", erzählt er dem "Wiener Journal".

"Verheiratung"

Was im Geschäft als Kundenwunsch beginnt, findet durch die Arbeit der Kunsttischler und Vergolder ihren Endpunkt – die perfekte Umrahmung des Bildes: "Der Rahmen soll den Blick des Betrachters sammeln und auf das Bild lenken. Wenn das nicht gelingt, ist etwas schiefgelaufen." Smolka beschreibt diese perfekte Verbindung als "Verheiratung", es ist die hohe Kunst des Rahmenmachens. Das kann allerdings recht aufwendig sein: "Ein simpler weißer Schattenfugenrahmen für ein ein mal ein Meter großes Bild erfordert rund acht bis zehn Stunden Arbeitszeit. Ein italienischer, geschnitzter Rahmen, vergoldet, gefasst und patiniert, für die gleiche Bildgröße, braucht zwischen 100 und 150 Stunden. Bei einem Stundenpreis von etwa 90 Euro kann man sich die Kosten ausrechnen, wobei der Materialpreis kaum ins Gewicht fällt. Es kann also passieren, dass der Rahmen teurer ist als das Kunstwerk. Doch wenn das Bild für den Kunden einen hohen ideellen Wert hat, vielleicht weil es eine geliebte Kinderzeichnung ist oder das einzige Foto des Vaters, dann ist ihm oft der Rahmenpreis egal. Man muss zwischen Preis und Wert unterscheiden."

Georg Smolka zeigt, welchen Rahmen das Gemälde des Künstlers Alois Mosbacher bekommen wird. 
- © Christina Mondolfo

Georg Smolka zeigt, welchen Rahmen das Gemälde des Künstlers Alois Mosbacher bekommen wird.

- © Christina Mondolfo

Rahmen unterlagen immer schon Modeströmungen, deshalb wurden sie oft getauscht. Eine Besonderheit stellt die Dresdner Gemäldegalerie dar: Sie hat einen eigenen Rahmenstil im Rokoko-Design entwickelt und alle Bilder damit ausgestattet, auch wenn es stilistisch nicht immer passt: "Damit wurde gewissermaßen eine Klammer für die Sammlung geschaffen. Heute würde man das nicht mehr machen. Doch Dresden ist von der Machart her so unglaublich und auch kunsthistorisch so interessant, dass man es belassen hat. Es gibt nur eine Ausnahme, nämlich die Sixtinische Madonna von Raffael – sie bekam einen neuen Renaissance-Rahmen statt des Rokoko-Rahmens."

Die Nadel im Heuhaufen

Georg Smolka und seine Mitarbeiter machen nahezu alle Rahmen selbst – nach den Rahmenmustern, die sein Vater zum Großteil in den späten 1960er Jahren von einer Wiener Rahmenmanufaktur gekauft hat und deren stilistische Bandbreite vom 13. Jahrhundert bis in die Moderne reicht. Gelegentlich will jemand allerdings einen originalen antiken Rahmen, etwa aus dem 16. oder 17. Jahrhundert: "In Österreich ist so etwas kaum zu finden. Ich schaue bei Auktionen, etwa in England, Frankreich und Deutschland, oder bei speziellen Rahmenhändlern, vor allem in London, Paris oder Rom. Doch einen solchen Rahmen in der richtigen Größe, im passenden Stil und in gutem Zustand aufzutreiben, ist oft wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Und er ist meist sehr teuer."

Smolkas Auftraggeber sind aber nicht nur Privatpersonen, sondern auch Museen, etwa die Albertina oder das Kunsthistorische Museum Wien: "Rahmen für großformatige Bilder werden zwar in der museumseigenen Werkstatt gemacht oder im hauseigenen Fundus gesucht, doch kleinere Formate, etwa für die Reliefs der Kunstkammer, wurden mir übertragen. Und für die Albertina habe ich einen speziellen Fotorahmen entwickelt, den ich sogar patentieren ließ. Solche Aufträge funktionieren meist über Mundpropaganda und die hat meinem Vater und mir einst sogar einen Auftrag der National Gallery of Art in Washington verschafft."

Nur wenig Literatur

Trotz seiner Bedeutung für ein Gemälde ist Literatur über Rahmen verhältnismäßig dürftig. "Der Rahmen ist mehr als nur Dekoration, er ist Mittler zwischen meiner Realität und der Realität oder Irrealität des Bildes", sinniert Smolka. "Warum sich nur wenige wissenschaftlich damit beschäftigt haben, ist mir ein Rätsel." Sein eigenes, umfassendes Wissen hat sich Smolka auf vielerlei Weise angeeignet: "Ich habe Kunstgeschichte studiert, um Bilder besser einordnen zu können: welcher Stil, welches Jahrhundert, welches Umfeld. Das hilft, um einen passenden Rahmen zu finden. Ich habe unzählige Ausstellungen, Sammlungen und Auktionen besucht, im Internet recherchiert und ich war sogar in Wohnungen von Sammlern. Egal ob gute oder schlechte Rahmungen, aus allem kann man etwas lernen."

Egal ob üppig oder schlicht – der Rahmen sollte nicht vom Bild ablenken. 
- © Christina Mondolfo

Egal ob üppig oder schlicht – der Rahmen sollte nicht vom Bild ablenken.

- © Christina Mondolfo

Georg Smolka hat früher auch selbst Rahmen designt und sogar ein sehr feines Profil in der Art flämischer Rahmen entwickelt, das oft in der Albertina für Werke von Albrecht Dürer verwendet wird. "Heute habe ich keine großen Ambitionen mehr, weil es schon so viele gute Sachen gibt. Außerdem fehlt mir die Zeit." Doch es gibt etwas, für das er sich immer noch Zeit nimmt, nämlich die Gravur: "Das ist eine Technik, bei der Ornamente mit Hilfe eines Graviereisens vor der Vergoldung in eine Schicht aus Kreide und organischem Leim, die auf dem Rahmen aufgetragen wurde, eingedrückt oder eingeritzt werden. Das erfordert große Genauigkeit und hohe Konzentration, also mache ich das meist abends nach dem Tagesgeschäft."

Auch wenn Georg Smolka von Rahmenkopien lebt, besitzt er doch einige originale antike Rahmen: "Die haben eine besondere Aura, weil sie schon so viel gesehen haben. Was könnte so ein Rahmen wohl alles erzählen! Außerdem sind sie großartige Muster und deshalb verkaufe ich sie nicht." So wie den ersten Rahmen, den er gemeinsam mit seinem Vater 1977 in Mailand erstanden hat: "Das gute Stück ist aus dem 16. Jahrhundert, ohne Schäden, ohne Bearbeitungen, und hat 60.000 Schilling gekostet. Damals war ich schockiert über den Preis, heute verstehe ich das." Diesen Rahmen hat Smolka auch schon an der Wand hängend präsentiert – ohne Bild: "Es hat großartig ausgesehen!"