Obwohl er (mit) im Scheinwerferlicht steht, führt er meist ein Schattendasein; denn wer in einer Ausstellung oder im Museum Bilder bewundert, nimmt oft ein wichtiges Detail nicht wahr: den jeweiligen Rahmen. Das ist einerseits gut, andererseits aber auch schade. Denn der Rahmen soll zwar nicht vom Bild ablenken, ist aber oft ein Kunstwerk für sich, das durchaus mehr Beachtung verdient.

Von schlicht bis üppig, von schmal bis breit, geschnitzt oder graviert, mit Messingornamenten verziert oder mit Schildpatt geschmückt – Bilderrahmen kommen in vielen Formen, Profilen, Farben und Facetten daher. Und das macht es mitunter sehr schwierig, einen passenden für ein bestimmtes Bild zu finden. Einer, der sich mit diesen Subtilitäten bestens auskennt, ist der Restaurator Robert Wald. Der gebürtige New Yorker leitet seit vielen Jahren den Bereich Restaurierung der Kunstsammlung des Fürstenhauses Liechtenstein, auch bekannt als "The Princely Collection", im Gartenpalais Liechtenstein im 9. Wiener Gemeindebezirk.

Lange Geschichte

"Ursprünglich war der Rahmen ein integraler Bestandteil des Bildes, denn man malte auf Holz, das mittig geglättet wurde. Die stehengelassene Erhebung am Rand diente als Rahmen. Deshalb nennt man diese Form Integralrahmen. Doch als die Bilder immer größer wurden, funktionierte das nicht mehr. In Venedig, aber auch Antwerpen, wo die größten Tuchhändler daheim waren, hatte man bereits Ende des 14., Anfang des 15. Jahrhunderts begonnen, auf speziell bearbeitetem Stoff zu malen – die Leinwand war geboren. Sie wurde auf einen Spannrahmen genagelt, um eine ebene, stabile Fläche zu erhalten, und nach Fertigstellung bekam das Kunstwerk noch einen extra Rahmen."

Doch nicht nur die zunehmende Bildgröße ermöglichte den Siegeszug von Leinwand und Rahmen, sondern auch der wachsende Wohlstand von Adel und Bürgertum, die es sich nun leisten konnten, ihren Reichtum in Kunstwerken anzulegen und diese entsprechend präsentieren zu wollen. Die steigende Nachfrage ließ die Zahl an Künstlern und Kunsthandwerkern steigen, die damals in Gilden zusammengeschlossen waren und eng zusammenarbeiteten; denn die Maler schufen nicht nur die Bilder, sondern entwarfen oft auch die Rahmen, die sie von Handwerkern, vor allem Tischlern, anfertigen ließen: "Das war eine große, gut organisierte Industrie, die sogar die Formate der Gemälde bestimmte. Bis zum 18. Jahrhundert war Kunst ein ziemlich streng reglementiertes Geschäft. Die romantische Vorstellung des unabhängigen Künstlers, der nicht (nur) auf Auftrag arbeitet, sondern einfach malt, was ihm in den Sinn kommt, und die Bilder dann zum Verkauf anbietet, ist erst ab dem späten 18. Jahrhundert Realität", erklärt Robert Wald im Gespräch mit dem "Wiener Journal".

Gerard ter Borch (1617–1681): Porträt des Malers Jan van Goyen, 1652,

Öl auf Holz. Kabinettrahmen, holländisch, Mitte 17. Jahrhundert, zurücklaufende Profile aus verschiedenen Wellen-, Flamm- und Flechtkorbleisten zusammengesetzt. 
- © Liechtenstein. The Princely Collections. Vaduz–Vienna

Gerard ter Borch (1617–1681): Porträt des Malers Jan van Goyen, 1652,
Öl auf Holz. Kabinettrahmen, holländisch, Mitte 17. Jahrhundert, zurücklaufende Profile aus verschiedenen Wellen-, Flamm- und Flechtkorbleisten zusammengesetzt.

- © Liechtenstein. The Princely Collections. Vaduz–Vienna

Dass die standardisierten Formate, an denen sich die Rahmen orientierten, durchaus ihre Vorteile haben, zeigt sich heute, wenn Wald etwa für ein Gemälde aus dem 15. oder 16. Jahrhundert einen entsprechenden Rahmen sucht: "In dieser Epoche hat man bessere Chancen, einen Rahmen ähnlicher Größe zu finden, vor allem in den nördlichen Zentren, etwa den Niederlanden, wo Genres der Malerei auf bestimmte Formate abgestimmt waren, besonders Porträts, Stillleben, Landschaften und Meeresmotive."

Passt es zusammen?

Doch der Teufel liegt ganz woanders: "Da gibt es immer die Diskrepanz zwischen dem ästhetischen Anspruch und dem Angebot am Markt; das passt leider nicht immer zusammen." Wobei die Entstehungszeit des Gemäldes und des Rahmens nicht zwingend dieselbe sein muss: "Auch das unterliegt Trends. So verwendete man etwa im Impressionismus gerne französische Rahmen aus dem 18. Jahrhundert; die wurden allerdings ihrer Vergoldungen entledigt und weiß getüncht. Das funktioniert. Es gibt auch Gemälde von Picasso, die in spanischen Rahmen aus dem 17. Jahrhundert präsentiert werden. Das funktioniert ebenfalls. Aber man kann kein Bild aus dem 14. Jahrhundert in einen Rahmen aus dem 19. Jahrhundert stecken, das funktioniert nicht."

Als im 19. Jahrhundert die sogenannten Salonmaler aufkamen und immer mehr Gemälde auf den Markt kamen, wurden auch die Rahmen zur Massenware – nicht allein schon deshalb, weil sie immer wieder gerne gewechselt wurden.

Die Stilrichtungen und "Moden" in der Malerei hatten immer auch Einfluss auf die Rahmen: Was mit schlichten Holzrahmen aus einfachen Leisten begann, entwickelte sich zu aufwendig geschnitzten oder mit Ornamenten aus Bronze verzierten Kunstwerken. Man machte Rahmen aus Zinn oder Gips; sogar Stein, vor allem Marmor, wurde verwendet. Diese Materialien in Kombination mit der Größe des Bildes gipfelten oft in einem derartigen Gewicht, dass das Kunstwerk zu einer festen Installation wurde, etwa in Kirchen und Kapellen oder in den Räumen einer Innung.

Eine interessante Entwicklung in Sachen Rahmen sieht Robert Wald im 18. Jahrhundert: "Als die Privat-Sammlungen immer größer wurden, wollten ihnen die Eigentümer ihren eigenen Stempel aufdrücken und das taten sie mit den Bilderrahmen. Diese wurden nach deren eigenen Designs gebaut und so wurde aus den einzelnen Kunstwerken ein Gesamtkunstwerk mit einer speziellen Ästhetik. Der Eindruck des einzelnen Kunstwerks wurde dadurch allerdings nicht geschmälert. Aber jede Kollektion hob sich allein schon durch die Rahmen von einer anderen ab."

Gelegentlich ist der Preis des Rahmens sogar höher als der des Gemäldes: "Das ist vor allem bei Bildern aus dem 19. Jahrhundert der Fall. Das liegt aber nicht an der Qualität, sondern einfach an der schieren Masse, die in dieser Zeit gemalt wurde. Denn für einen Rahmen braucht man tatsächlich mitunter mehr Zeit als für ein Gemälde."

Aufwendige Suche

Wenn Robert Wald auf der Suche nach einem Rahmen ist, schaut er vor allem in London, Paris, Rom oder den Niederlanden, denn dort sitzen die Händler mit dem größten Angebot. "Die Engländer haben schon im 18. Jahrhundert damit begonnen, alles an Rahmen zu kaufen, was ihnen in die Hände gefallen ist. Aber auch in Deutschland findet man mitunter echte Perlen." Gründlich zu suchen und sorgfältig auszuwählen ist wichtig, denn welchen Einfluss der Rahmen auf das Bild hat, weiß der Konservator nur zu gut. "Der Rahmen soll die Qualität des Bildes hervorheben und auf keinen Fall herabsetzen. Deshalb haben wohl viele Künstler die Rahmen für ihre Bilder selbst entworfen und nach genauen Angaben herstellen lassen. Doch letztendlich ist es immer eine subjektive Entscheidung, welcher gewählt wird. Der Rahmen sollte jedenfalls nicht im Wettbewerb mit dem Bild stehen – er kann den Inhalt unterstreichen oder ihn kontrastieren, aber er soll nie ablenken."

Viele Rahmenmacher waren Architekten oder Handwerker wie zum Beispiel Tischler, denn die Wohnung samt Einrichtung inklusive der Kunstwerke sollte ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Besonders in England habe man sich in dieser Hinsicht besonders hervorgetan, betont Wald.

Francesco Zuccarelli (1702–1788): Diana mit ihren Begleiterinnen und Hunden, 1765, Öl auf Holz. Trophäorahmen für Lord Thomas Coventry mit Familienwappen und Jagdmotiven, 1765, Holz, geschnitzt und vergoldet. 
- © Liechtenstein. The Princely Collections. Vaduz–Vienna

Francesco Zuccarelli (1702–1788): Diana mit ihren Begleiterinnen und Hunden, 1765, Öl auf Holz. Trophäorahmen für Lord Thomas Coventry mit Familienwappen und Jagdmotiven, 1765, Holz, geschnitzt und vergoldet.

- © Liechtenstein. The Princely Collections. Vaduz–Vienna

Und die Rahmen für englische Landschafts- oder Jagdgemälde sind Musterbeispiele für sogenannte Trophäorahmen: Sie sind reich verziert mit Wappen, Tieren, aristokratischen Symbolen oder ganzen Szenen, quasi ein Bild um das Bild. Dass sich diese Rahmen kaum für ein anderes Bild eignen, liegt auf der Hand …

Mit dem Aufkommen der abstrakten Kunst brachen auch für den Rahmen harte Zeiten an, den er trat nicht nur in den Hintergrund, sondern verschwand zum Großteil ganz – die Künstler wollten oder brauchten für ihre Bilder kein "Drumherum": Rahmen galten als Sinnbild vergangener Zeiten, ihre Funktion als Schutz und Stabilisator des Bildes war nicht mehr so wichtig. Und je moderner die Malerei wurde, desto weniger passten alte Rahmen, viele Künstler gingen daher dazu über, im Fall der Fälle eigene zu entwerfen.

Nicht alles lässt sich retten

Doch ganz ließ er sich nicht verdrängen – es gab immer noch Landschafts-, Porträt- oder schlicht Hobbymaler, die ihre Gemälde mit einem Rahmen versahen. Heute ist wieder alles möglich und viele Sammler haben den Reiz alter Rahmen neu entdeckt. Doch oftmals sind sie entweder in schlechtem Zustand oder passen nicht zur Bildgröße: "Man kann Rahmen natürlich restaurieren, allerdings nur in einem gewissen Ausmaß. Ist das Holz von Insekten befallen und die Substanz dadurch bereits stark geschädigt, kann es sein, dass die Restaurierung nicht mehr möglich ist – oder so aufwendig und damit so teuer, dass es sich nicht auszahlt. Oder der Rahmen wurde bereits viele Male verändert oder mangelhaft restauriert, dass er seinen Wert verloren hat. Oft ist auch die in die Jahre gekommene Oberfläche daran schuld, dass man den Rahmen aufgeben muss. Ein Problem dabei ist sicher auch, dass man erst ab dem 20. Jahrhundert von professioneller Restaurierung sprechen kann; davor wurden Ausbesserungen oder Veränderungen zwar durchaus ordentlich gemacht, aber nicht immer im besten Sinn der Erhaltung des Originals. Muss man einen Rahmen verkleinern oder vergrößern, geht das nur, wenn keine komplizierten Ornamente an den Ecken oder an den Leisten angebracht sind", erklärt der Experte. Einen Großteil dieser Arbeiten erledigen mitunter sogar die Händler, von denen Robert Wald die Rahmen bezieht, selbst. In den Rahmen eingepasst und für die Ausstellung vorbereitet werden die Bilder aber vor Ort in Wien.

Joseph Karl Stieler (1781–1858): Porträt

der Gräfin Sophie Esterházy, um 1830,

Öl auf Leinwand. Rahmen im Empire-Stil,

vermutlich deutsch, um 1830. 
- © Liechtenstein. The Princely Collections. Vaduz–Vienna

Joseph Karl Stieler (1781–1858): Porträt
der Gräfin Sophie Esterházy, um 1830,
Öl auf Leinwand. Rahmen im Empire-Stil,
vermutlich deutsch, um 1830.

- © Liechtenstein. The Princely Collections. Vaduz–Vienna

Sein Interesse für Bilderrahmen wurde zwar schon während seines Kunstgeschichte-Studiums geweckt, doch erst in Österreich wurde es zur Leidenschaft: "Ich habe früher im Kunsthistorischen Museum Wien gearbeitet und entdeckt, was es in Europa noch alles an Rahmen gibt. Der Kauf von Rahmen kann aber oft eine große Investition bedeuten, die nicht jeder Institution möglich ist. Dennoch sollte man gerade bei den Rahmen nicht sparen, denn sie können viele Details eines Bildes erst so richtig zur Geltung bringen. Und das ist der wichtigste Beitrag eines Rahmens, denke ich. Dass ich heute so viel über Rahmen weiß, habe ich auch dem Direktor der Liechtenstein Collection, Johann Kräftner, zu verdanken. Wir haben sogar vor einigen Jahren gemeinsam eine sehr erfolgreiche Ausstellung zu diesem Thema gemacht, ‚Halt und Zierde‘. Er ist mit Ende März in den wohlverdienten Ruhestand gegangen, aber nicht, ohne sein Wissen zu Rahmen und der Sammlung insgesamt zu hinterlassen."