"Fortlaufender Prozess der Verbesserung" – klingt immerhin optimistisch. Alles wird besser. Aber andererseits auch nie fertig, weil es nie gut genug ist. ("Fortlaufend" wie: kontinuierlich, beharrlich, permanent, unaufhörlich.) Zumindest derzeit dürfte es noch nicht optimal und der Prozess nach wie vor im Gange sein. Sonst hieße das Ganze schließlich "abgeschlossener Prozess der Verbesserung", oder? Was überhaupt? Nun ja, die Ausstellung in der Galerie nächst St. Stephan und die dort präsentierte neue Keramikserie von Isa Melsheimer.
Wie Variationen zu einem Thema ähneln die ziemlich hermetischen Trümmer einander, die im ersten Raum einfach so auf dem Boden herumstehen, und unterscheiden sich zugleich. Und was ist das Thema? Das ist nicht so offensichtlich. Wohnen? Symbiotische Beziehungen? Nämlich zwischen der Natur und der Kultur, dem Organischen und der Geometrie und noch sonst so einigem?
Rückzugsgebiete für die Neugier
Schon allein die Frage, ob es sich um Gebrauchsgegenstände handelt oder um Skulpturen, um angewandte oder "schöne" Kunst (nicht, dass die angewandte hässlich wäre), lässt sich nicht eindeutig beantworten. Denn theoretisch könnte man sich auf die Dinger draufsetzen oder was draufstellen, könnte sie als (vermutlich relativ unbequeme) Hocker oder Sockel (zur Not für einen selbst, also als Stockerln) benutzen. Oder als Beistelltischerln. Weil sie oben halbwegs flach sind. Unten haben sie dafür eine borkige Rinde, generell was von Baumstümpfen, oder haben kristallin kubistische Formen, immer kombiniert mit Ecken und Kanten, die nicht von selber gewachsen sein können, Menschenwerk sein müssen.

Baumhaus: Keramische Architektur-Vision von Isa Melsheimer.
- © OLIVER MARK, Courtesy: Galerie nächst St. Stephan Rosemarie SchwarzwälderÜber mysteriöse Gucklöcher verfügen sie außerdem, die hybriden Objekte. Über Öffnungen, durch die man direkt in ihre Intimsphäre reinspechteln kann, in ihr finsteres Innerstes, in ihre "Innereien". Rückzugsgebiete für die Neugier. Und für die Schaulust. Letztere hat mit der Außenseite freilich eh genug zu tun, mit der lebendigen Oberfläche und der malerischen Glasur, die mitunter mehr eine biologische als chemische Patina suggeriert. Moose, Flechten, Schimmel, Schleim.
An Tierbauten lassen die Gebilde denken (besonders die mit den runden Löchern), an Vogelhäuser, die Bruthöhlen, die der Buntspecht mit seinem Schnabel aus einem Stamm meißelt. Sogar Keramiker gibt es übrigens unter den animalischen Baumeistern: die Töpfervögel. Die fertigen allerdings nicht etwa Eierbecher für ihr Nestl an (oder Nippes; Würmer in Würschtltechnik zum Beispiel), sondern das Nestl selbst. Vermischen dazu Schlamm und Lehm mit ihrem Speichel.
Haben die Häuschen einen Vogel oder einen Menschen?
"Vertontes" Wohnen (Ton: dieses lehmige, graue Sediment). Doch sind die wie ein kleines Dorf gruppierten Behausungsvorschläge der 1968 im nordrhein-westfälischen Neuss geborenen und mittlerweile in Berlin ansässigen Künstlerin jetzt Tonmodelle für etwas Größeres, für bionische Architektur-Utopien, flexible urbane Organismen, die sich nicht endgültig festlegen und in die Menschen einziehen sollen, oder sind sie bereits voll ausgewachsene Herbergen für Vögel, Eichkatzln oder diverse Haustiere?

Wie Gewächse: Isa Melsheimers bodenscheue Stelzenhäuser ("Stilt Houses", 2023). Links an der Wand und ganz hinten: Keramikfliesenbilder ("Azulejos", 2023), rechts hinten: die Gouache Nr. 480 (2022).
- © Markus Wörgötter, Courtesy: Galerie nächst St. Stephan Rosemarie SchwarzwälderUnd die auf Sockeln dem Betrachterauge nähergebrachten, emporgereichten "Stilt Houses" (Pfahlbauten)? Sind noch biomorpher als die "geerdeten" (auf dem Boden abgestellten und aus "Erde" gekneteten, modellierten) Visionen. Schalen, die mit fragilen "Stelzwurzeln" abheben (und in denen man locker ein Potpourri einquartieren könnte – oder schlicht die eigenen interessierten Blicke).
In den Gouachen der Deutschen, die da auf dem Papier mit Lineal und Perspektive Brutalistisches errichtet, wird die Architektur "menschlicher", vertrauter, grauer. Grau wie der Ton mit einem "Be-" davor. Nur dass die einbetonierte Verrohung zu schimmeln scheint, sich auf dem Grau grüne Flecken ausbreiten, die dabei sind, die konstruktive Strenge stellenweise fast aquarellig aufzulösen. Oder die bunte Fantasie höchstpersönlich erblüht auf dem Gemäuer.
Organischer bauen mit Magengeschwür
Das Ende ist nichts für sensible Mägen. Wieso? Wie geht sie aus, die Schau, die selbst ein Hybrid ist (aus Architektur- und Skulpturen-Ausstellung)? Mit sehr organischen Nestern. Nestern wie Magengeschwüre. Wieder glasierte Keramik. Vom Töpfervogel? Nein, eher den Werken irgendwelcher Insekten nachempfunden. Sehen aus wie krebsige Verdauungssäcke. Ob sich die Architekten hier an der humanen Anatomie inspiriert haben? (Wie auch immer sie diese seziert haben mögen.)
Aus handfesten Pixeln (Kacheln) zusammengepuzzelte abstrakte Malereien (Kreuzungen zwischen Mosaik, Gemälde und – Wandverkleidung) runden die sinnlichen Grenzgänge kontemplativ ab. (Wenngleich die nuanciert glasierten Bildpunkte dieser "Azulejos" eckig sind.)

"Nest 1" (2023) von Isa Melsheimer. Statt "Glasierte Keramik" hab ich zuerst "Gastritis-Keramik" gelesen. Gänzlich abwegig?
- © OLIVER MARK, Courtesy: Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder