Im Hauptraum der Secession hängen 400 bemalte Leinwände der argentinisch-schweizerischen Künstlerin Vivian Suter, die sich in den 1980er Jahren auf einer Kaffeeplantage am Ufer eines von Vulkanen umgebenen Sees in Guatemala niedergelassen hat. Ihr in der Einsamkeit entstandenes Werk wurde erst 2017 für die documenta 14 in Athen und Kassel entdeckt, ihr Sohn Frank Wild ist Mitarbeiter, ihre Mutter, Elisabeth Wild, auch Künstlerin, die parallel ab 5. Mai in einer Retrospektive im Mumok präsentiert wird. Den glücklichen Zufall sieht Suter dabei auch in ihren Erinnerungen an den Wiener Großvater, der sie bereits als Kind mit der Secession vertraut machte.

Zufälle haben ihre Malerei am Atitlán-See verändert, da zwei Erdrutsche die als Kunstdepot benutzte Scheune mit Schlamm füllten. Statt vermeintlich zerstörter Werke hat die Malerin jene Collagen mit der Natur als kreativen Prozess angenommen. Sie arbeitet an den landschaftlichen Sujets nun im Freien, die Natur ist Mitgestalter und so finden sich auf vielen der sonst farbenfroh, meist abstrakt bemalten dünnen Leinwände Blätter, Erde, kleine Äste und Steine.

Die Natur gestaltet mit

Neu für die Installation "A Stone in the Lake" im Hauptraum ist die geöffnete Türe in den Park dahinter, dadurch bewegt der Wind die kreuz und quer eingehängten Bildfahnen, man hört Vögel, aber auch Verkehrslärm.

Das Aussetzen der bemalten Leinwände in der Natur ist eine bereits von Edvard Munch benützte Praxis, jedoch ist bei Suter auch das Schlafen der Hunde darauf und das Hinterlassen von Früchten und Insektenspuren als Mitgestaltung der sonst dem tropischen Umfeld nachempfundenen Farbräume willkommen. Von Frank Wild stammt die Vertonung des Songs der Künstlerin aus den 1980er Jahren, "I Would Like to Invite You for Dinner", der zur Geräuschkulisse dazu geschaltet wird.

Karrabing Film Collective: "Night Fishing with Ancestors", Videostill, 2023. - © Secession
Karrabing Film Collective: "Night Fishing with Ancestors", Videostill, 2023. - © Secession

In der Galerie hat die in Glasgow lebende Amerikanerin Margaret Salmon einen Film, Skulpturen, einige Videos und Fotografien zum Thema Alltag mit einfachen Mitteln eingebaut: Sie nennt die Schau "Monument" und untersucht mit strengen fotografischen Mitteln das Thema Männlichkeit durch Beobachtung aufwachsender Kinder in Glasgow.

Der Film "Boy (winter) 2022" war ursprünglich in 35 Millimeter-Filmtechnik gedreht, die weiteren "Study for a Film about Monuments" von 2023 sind Videos. Ihre Anregungen verrät sie in einer weiteren Dokumentation in 16 Millimeter-Technik über das Paar Jean Mohr und Simone Turettini. Sie traf die Dokumentarfilmerin und den Dokumentarfotografen in Genf. Die meist in ruhigen Schwarzweiß-Aufnahmen gehaltenen Werke Salmons sind zugleich auch eine Hommage an die Filmemacher, ein kreatives unabhängiges Künstlerpaar, das mit dem Kunsthistoriker John Berger kooperierte.

Vivian Suter: No name. - © Frank Wild
Vivian Suter: No name. - © Frank Wild

Im Grafischen Kabinett ist ein Filmkollektiv aus dem Land der Karrabings an der Küste des Northern Territory in Australien unter dem Titel "They pretending not to see us ..." und dem Film "Night Fishing with Ancestors" von 2023 zu Gast. Der Film zeigt, was hätte sein können, wenn die Europäer (James Cook) 1770 nicht angekommen wären. Das Kollektiv ist eine Gruppe von Indigenen, die aus etwa 35 Personen aller Generationen besteht, seit 40 Jahren arbeitet die Truppe bereits mit Elisabeth Povinelli zusammen. Sie pflegen eine eigene Sprache (Emmiyangal), ihr Name (Karrabing) bedeutet Ebbe, die als Zeit fürs Fischen, Krabbenfangen und Muschelsammeln genutzt wird. Auch ihre den Ahnen gewidmeten Totems treten erst durch die Ebbe aus dem Meer zutage.

Die Filme, die als Art Oral-Poetry die Schwierigkeiten mit den weißen Behörden um Besitz, Kapitalismus (Elon Musk betreibt auf ihrem Gebiet eine Mine für seltene Erden!) und vor allem anhaltende Nichtanerkennung beschreiben, wirken zum Teil ironisch. Doch sind sie eher dokumentarisch gemeint, mit einfachen Mitteln via i-Phone gedreht, vermitteln sie etwas über ihre Lebensweise und Philosophie. In sechs Kapiteln wird die Kolonialisierung bis in die Katastrophe des Klimawandels vorangetrieben - ein sehenswertes Unterfangen.