Dem Tode gegenüber: Urs Fischers "Pink Lady". - © Urs Fischer Courtesy of the artist and Sadie Coles HQ, London. Photo: Andy Keate
Dem Tode gegenüber: Urs Fischers "Pink Lady". - © Urs Fischer Courtesy of the artist and Sadie Coles HQ, London. Photo: Andy Keate

Es wirkte wie ein kalkulierter Witz: Bei der Pressekonferenz anlässlich seiner Solopräsentation in der Kunsthalle Wien glänzte der als Kunstsuperstar gehandelte Urs Fischer durch Abwesenheit. Seiner ansichtig wurde man im letzten Raum des Ausstellungsparcours dann aber doch noch. In Form einer Wachsfigur hat sich der in New York lebende Schweizer hier selbst porträtiert. Nachdenklich wirkt die Figur, sogar ein wenig geknickt. Aus ihrem Haupt züngelt eine Flamme.

Gegen Ende der Schau wird das Antlitz geschmolzen sein. Nichts währt ewig. Die Vergänglichkeit ist ein zentrales Motto in Fischers Schaffen. Erinnerungen an die letzte Kunstbiennale in Venedig werden wach. Im Arsenale brachte der Künstler eine mehrteilige Figurengruppe zum Schmelzen, darunter eine Nachbildung der manieristischen Marmorgruppe "Der Raub der Sabinerinnen" aus dem Jahr 1583 von Giovanni da Bologna.

Drang zur Gigantomanie


Fischer hat sich seinen Weg in die Kunstwelt mit spektakulären Projekten gebahnt. In der Vergangenheit verwandelte er den Ausstellungsraum seiner New Yorker Galerie in ein riesiges Erdloch. In Wien errichtete er ein Haus aus Brot. Ins Zentrum von Manhattan ließ er einen gelben, mehrere Tonnen schweren Teddybären hieven. Für das Kunsthaus Zürich schuf er eine hochästhetische, raumgreifende Installation aus 2700 blauen Gipstropfen. Auch seinen berühmten "Clays" haftet etwas Gigantomanisches an. Die wuchtigen, an Felsbrocken gemahnenden Aluminiumskulpturen verdanken sich der hundertfachen Vergrößerung von nur drei bis vier Zentimeter kleinen Lehmklümpchen.

Angesichts all dessen wirkt die Kunsthallen-Schau, zumindest was die Dimension der Arbeiten und die räumlichen Interventionen angeht, relativ gezähmt. Mit der Arbeit "Untitled (Door)" hat Fischer einen zusätzlichen Durchgang geschaffen. Er durchbricht auf diese Weise die starre Raumabfolge der unteren Ausstellungshalle und schafft so einen mehrere Räume umspannenden Dialog. Neben zahlreichen Collagen und Siebdrucken, in denen seine Faszination für das manische Ansammeln von visuellem Material deutlich wird, zeigt der Künstler eine Reihe skulpturaler Settings, die sich neben dem Thema Vergänglichkeit auch Aspekten wie Deformation, Trauma und Prozessualität widmen.

Zu begeistern vermag etwa die Installation "Branches" durch die stille Rotation zweier vom Plafond hängender, silbern eingefärbter Äste, von deren Enden Kerzenwachs tropft und so kreisrunde Bodenzeichnungen erzeugt. Es ist der permanente Kreislauf des Werdens und Vergehens, in den uns hier ein Künstler einbindet, der im Zerfall der Natur das Schöne sieht. Daran erinnert er auch mit einer Obstschale, deren Früchte mit Silikon überzogen sind. Auch sie tragen, wie das wächserne Selbstporträt, den Verfall in sich. Im Ausstellungstitel gebenden Objekt "Skinny Sunrise" gerät Fischers Auseinandersetzung mit dem Thema Tod allerdings bewusst zur Farce. Das aus Styropor gefertigte und mit Staub übersäte Skelett reckt nicht nur dem Betrachter, sondern auch der gegenüber platzierten "Pink Lady" lüstern das Hinterteil entgegen. Darstellungen wie diese grenzen hart ans Plakative.

Man muss bei Fischer schon zweimal hinschauen, um des subtilen Spiels mit bildhauerischen Kategorien gewahr zu werden. Unter der schrillen Oberfläche aber schimmert dann schließlich doch ein Künstler durch, dem es um ganz klassische skulpturale Fragestellungen geht. Um das Ausloten des Verhältnisses zwischen Skulptur und Sockel, zwischen Gewicht und Gegengewicht sowie zwischen Farbe und Material.