
Zum 60. Geburtstag von Herwig Zens gibt es in Niederösterreich im Umfeld der jungen Künstlerschaft in der Artothek in Krems eine Retrospektive. Dort passt der rastlose ehemalige Professor der Wiener Akademie auch hin: immer in Bewegung, ständig auf Reisen und selbst im Atelier bewegt es sich um ihn herum. So nennt er die Schau nach dem letzten Zyklus von Bildern aus dem Jahr 2012 "Ateliergeister. Die Fülle des Werks und des Seins" und das heißt bei Zens immer viele Zyklen, denn er malt und radiert immer noch an mehreren gleichzeitig. Dazu kommt das radierte Tagebuch in Streifen, in dem er seit 1977 seine wichtigsten Einträge macht; früher waren das auch die ihn langweilenden Sitzungen an der Akademie, bei denen er die Kollegenschaft schnell festhielt, heute sind es die Beobachtungen auf den vielen Reisen von Spanien bis zum Berg Athos, in die Berge von Tirol und immer wieder zu wichtigen Ausstellungen quer durch Europa.
Einige besondere Serien sind zu einzelnen Porträts und den gemalten Ateliergeistern, die ihn neuerdings beim Arbeiten aus dem Bilde heraus beobachten, in dieser Jubiläumsschau zu finden: Da sind vor allem die großen Aquatinta-Radierungen des "Palermo-Zyklus" zu erwähnen, die er 1983 bis 1990 als Mappe gedruckt hat. Uneinholbar in der Technik und im makabren Witz. Die Gruft des Kapuzinerklosters in Palermo beherbergt hunderte Mumien, die an der Wand hängend, in Nischen und im Falle von Kleinkindern in Sargkisten liegend in 400 Jahren ein schaurig-schönes Eigenleben entwickelt haben. Der Tod hat viele von ihnen so gut erhalten, dass sie uns anblicken, in ihren alten Gewändern. Teilweise lächeln sie mit Hüten auf uns herab oder von drüben herüber. Der Tod im Leben, dieser Widerspruch, das reizt Zens schon seit Jahrzehnten. Ihm widmet er Bilder, Objekte und große Ausstattungen, die an die mittelalterlichen Totentänze erinnern. Egal ob Basel oder Lübeck - Zens hat viele verlorene davon wieder rekonstruiert.
Überschäumende Welten
So wie er einmal jährlich mindestens mit Freunden den Berg Athos bewandert und die Klöster auf den schroffen Felsen in Zeichnungen festhält, die er dann ebenso in seine genialen Grafikzyklen überträgt oder in Mischtechnik auf die Leinwand pinselt. Wobei, wenn Zens pinselt, sind immer die schriftlichen Notate wesentlich, nicht malerische Farbfelder. Die Macht zu erzählen und dabei überschäumend viele Welten von der Antike über Renaissance, Barock und Romantik einzubeziehen, treibt ihn an. Da schaut auch die Postmoderne mit Rückblicken auf Francisco de Goya oder andere Spanier aus den Aquarellen und Zeichnungen heraus.
In den letzten Jahren hat man ihn mit Orden und Preisen ausgezeichnet, was ihn jedoch nicht zur Ruhe bringt: Der Pinsel tobt, die Druckerpresse muss ständig angeworfen werden, denn die Mythen würden sonst aus seinem Kopf wachsen wie Athene aus dem Kopf des Zeus. Und das wäre ja wohl kaum zu verantworten, deshalb hält ihn auch keiner auf, den rasenden Zeichner und Maler am Weg ins siebte Jahrzehnt.