Ulrike Grossarth interessiert sich für die Schnittflächen von Kunst und Philosophie. - © Stephan Wyckoff
Ulrike Grossarth interessiert sich für die Schnittflächen von Kunst und Philosophie. - © Stephan Wyckoff

Das Wiener Team der Generali Foundation um Sabine Folie hat sich seine Zukunft wohl etwas anders vorgestellt. Aber mit der Pressekonferenz von Sabine Breitwieser im Museum der Moderne in Salzburg am 17. Jänner wurde schockartig Klarheit geschaffen: Die gesamte Sammlung von 2100 Kunstwerken wandert, samt Bibliothek und Archiv, nach Salzburg. Der Betrieb in Wien endet Anfang 2015 oder noch früher. Eine 25-jährige Zusammenarbeit mit dem Museum der Moderne wurde durch den Präsidenten und Gründer der Foundation, Dietrich Karner, besiegelt. Er stellt dies als Sicherung einer weiteren Existenz an "strategischem Standort" unter "visionärer Leitung" dar; langjährige Versuche der Anbindung an die Wiener Museen sind gescheitert, daher die Heimholung durch die Gründungsdirektorin und der Verlust für Wien.

Übrig bleiben Team und Haus


Da die Sammlung wesentliche Werke der sechziger Jahre von Valie Export über Isa Genzken und Dan Graham bis Franz West enthält, kann das Wiener Kunstpublikum nur als Zeuge trauernd hinnehmen, wie das heute in der fortschreitenden Verquickung von Wirtschaft mit Kultur und Wissenschaft vor sich geht: Die stärkeren Argumente gewinnen.

Das Museum der Moderne wird eine Ebene für eine Dauerausstellung der Sammlung zur Verfügung stellen, das Unternehmen weitere Ankäufe sichern. Die 2007 scheinbar in Unfrieden geschiedene Breitwieser hat ihren Sponsor und die Werke, übrig bleibt das Superteam in Wien, das wohl wenig Handlungsspielraum hat. Übrig bleiben auch die wunderbaren Räume, deren Zukunft ungewiss ist. Ein lukrativer Verkauf an eine Supermarktkette oder ein Restaurant würde den hohen geistigen Verlust für Wien nur noch unterstreichen.

Im Eingang empfangen nun passend Ulrike Grossarths drei Könige aus der Performance "16 moving things" mit ihrer offenen Ordnung der Dinge in ständiger Bewegung durch Stäbe. Sabine Folie und Ilse Lafer haben mit der Retrospektive Ulrike Grossarth (Jahrgang 1952) eine der interessantesten Vertreterinnen der Konzeptkunst nach Wien geholt, und die Generali hat Teile des Werks angekauft.

Grossarth studierte ursprünglich Tanz in Köln, Dresden und Essen, wo sie als Teil der deutsche Fluxusszene einen Ableger von Joseph Beuys’ Free International University leitete. Heute ist sie Professorin für fächerübergreifendes Arbeiten in Dresden, da sie Performance, Installation, Video- und Objektkunst mit neuer künstlerischer Forschung verbindet. Sie interessiert sich für radikal neue Denkräume und Aggregatszustände von Körpern, für die Wirkungsweisen plastischer Zustände, die wie bei Beuys das Denken mit einschließen. Philosophische und andere wissenschaftliche Systeme wie die Encyclopädie Diderots und D’Alemberts von 1751, ihre Hierarchie und daraus resultierende Handlungen, hat sie in Werkserien voll stiller Poesie neu versammelt.

Berufung auf Hannah Arendt


Eine Wandzeichnung verbindet eine nackte Frau mit verhülltem Kopf mit einem Mantel, auch Kleider dienen Grossarth oft als Kulturmodelle. Dagegen ist die Monade als Kern der unteilbaren Substanz nach Wilhelm Georg Leibniz für Grossarth Zeichen eines leibfeindlichen Weltmodells, das den sinnlichen Zugang verstellt, indem es Körper und Geist trennte, und uns heutige Kriege und kapitalistische Krisen beschert.

Ihre frühen experimentellen Handlungsfelder schließen die hinterfragende Analyse statischer Architekturen ("Großdruckbelastungskörper") aus der NS-Zeit mit ein, aber auch die in vielen Medien archivierten Aktionen, Übungs- und Handlungsanweisungen kann Sabine Folie in einer besonderen Neuaufstellung präsentieren.

Grossarths Berufung auf Hannah Arendt und die "Gegenstandsbezirke" Martin Heideggers, Licht und Wahrnehmungsfragen, kommen dann ab 1990 ins Spiel der Bewegungen in "Gegenstandsbezirken" (Martin Heidegger). Der erste zentrale Werkkomplex BAU I (1989-2000) war Beitrag auf der Documenta 1997 und empfängt Besucher in der großen Halle mit 17 Diaprojektionen auf zehn Tischen neben Waren und Büchern, die ihre Vermischung an der Wand weiterspiegeln.

Von den Projektreihen ist der Lublin Komplex aus den Reiseerkundungen in Osteuropa ihre "Konserve für die Zukunft". Die Aufnahmen eines Fotografen vor der Ghettoisierung in den dreißiger Jahren führten Grossarth zur Gründung einer künstlerisch forschenden "Schule von Lublin" mit ihren Dresdner Studierenden. Dabei lenkt die allegorische Figur der Schechina (die abgewandte weibliche Seite des jüdischen Gottes) ausgleichend zur Überwindung fixierter Kulturmodule.