Gefälliger Blickfang mit politischer Aussage: "Circle of Animals" (2011) von Ai Weiwei. - © Mathias Völzke
Gefälliger Blickfang mit politischer Aussage: "Circle of Animals" (2011) von Ai Weiwei. - © Mathias Völzke

Vor dem Haupteingang des Martin-Gropius-Baus steht ein Fahrrad. Samt Einkaufskorb voll frischer Blumen. Die sollen so lange erneuert werden, bis Ai Weiwei seinen Reisepass erhält, um seine bisher weltweit größte Einzelausstellung selbst zu besuchen. So jedenfalls der zweckoptimistische Wunsch, den der Intendant der Berliner Festspiele Thomas Oberender zur Eröffnung von "Evidence" äußerte. Vorbereitet hat der Konzeptkünstler mit dem dezidierten Engagement für Menschenrechte die Bespielung der 3000m2 in 18 Räumen um den Lichthof herum von China aus. Selbst war er nur per Videogruß auf der Pressekonferenz zu sehen. Der Kurator und Gropiusbauchef Gereon Sievernich konnte sich auf das untrügliche Gefühl des architektonisch bewanderten Ai verlassen, auch Innenräume unterschiedlicher Größe selbst aus der Ferne auf den Wirkungspunkt genau zu füllen.

Gefällige Wirkung mit Aussage


Hatte er noch bei der Biennale in Venedig für Deutschland eine Installation aus durch den Raum und eigentlich durch die Zeit fliegenden, traditionellen chinesischen Bauernhockern als Hingucker geschaffen, so sind jetzt über 6000 von diesen archaischen Möbeln im riesigen Lichthof quasi gelandet und bedecken wie Pixel den Boden (Stools/Hocker, 2014). Wie vieles von dem, was Ai Weiwei macht, kommt zur gefälligen Wirkung allemal eine "tiefere" Bedeutung. In dem Falle steht diese zentrale Installation für die Veränderungen, die das Reich der Mitte und seine Menschen erfasst hat. Ai Weiwei führt mit den Überbleibseln der entschwindenden Bauernkultur Buch über die Kosten, die dabei entstehen.

Die originalen Türen von Bauernhäusern (die auf der documenta12 noch für Furore sorgten) sind jetzt zur Marmorskulptur erstarrt. Es ist ein Spiel mit dem Material und der eigenen Geschichte. Wie jene vergoldeten Zodiac-Skulpturen, die einst zu einem von den Europäern verwüsteten alten Kaiserpalast in Peking gehörten (Circle of Animals/Tierkreis, 2011). Mit dieser Methode ist Ai auch mitten im China von heute. Die Skulpturen aus verbogenem Armierungsstahl und die in Marmor nachgebildeten Einzelstücke werden bei ihm zu einer Anklage gegen Korruption und Schlamperei am Bau (Sichuan Earthquake Works/2008-2012). In dem Falle soll das an die 80.000 Toten, die das Erdbeben in Sichuan kostete, erinnern.