Nick Knatterton: Ein Schloss fällt aus der Tür, Folge 1, 1954 - © Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst, 2014
Nick Knatterton: Ein Schloss fällt aus der Tür, Folge 1, 1954 - © Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst, 2014

Mit der Möglichkeit des Zusammendenkens von zwei Ausstellungen bringt das Karikaturmuseum Krems einen politisch hochaktuellen und hochspannenden Fragenkomplex auf das Tapet: Die Anwendung von Gewalt, deren Rechtmäßigkeit und vor allem deren Legitimation.

In der seit Ende Jänner laufenden Ausstellung "Zeichnen für den Frieden" wird anlässlich des 100. Jahrestages des Beginns des Ersten Weltkriegs die Friedenstaube in der Karikatur gezeigt. Frieden ist bekanntlich ein schützenswertes Gut. Diesen Auftrag verspürt auch jener Mann, der sich der Generation 35 plus als Meisterdetektiv Nikolaus Kuno Freiherr von Knatter, kurz: Nick Knatterton, in die Herzen kombiniert hat. Diese Ausstellung wurde am 5. April im Karikaturmuseum eröffnet.

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"Humane Gewaltanwendung"

Knatterton ist Anhänger der "humanen Gewaltanwendung". Wie in der heute vom Militär gesteuerten Berichterstattung über so genannte chirurgische Kriegführung – ein vom Militär geprägter Euphemismus, bei dem Kollateralschäden durch präzise gesteuerte Angriffe nach eigenen Angaben vermieden werden – werden auch bei Knatterton keine Toten gezeigt und eigene Gewalt als notwendig bagatellisiert. Geschundene oder am Stöckchen aufgespießte instrumentalisierte Tauben stellen die heutige Kriegsrealität dar und stehen für die Bestialisierung des Feindes. Knattertons wechselnde Gegenspieler sind auf ihre Art hingegen doch irgendwie sympathische trickreiche Hallunken mit einem sehr schweren Hang zum Absurden.

Den Karikaturen der Friedenstauben – leider ist dafür nur die Fläche des Ironimus-Kabinetts vorgesehen – wird die überaus berechtigte Frage vorangestellt, was gegen militärisch durchgesetzte wirtschaftliche und andere Interessen eigentlich auszurichten sei. Augenscheinliche Parallelen weisen in Knattertons Realität mehrfach auf die Bedeutung der nicht immer ganz sauberen internationalen Finanzwelt hin.

Taube oder Falke?

Was mit dem der Ausstellung zu Grunde liegenden Katalog "Zeichnen für den Frieden" gelungen ist, kann auch als Geschichtsbuch der jüngeren Kriegshistorie begriffen und verstanden werden. Es wird ein tiefer Einblick in heute oftmals wenig beachtete Details und doppelte Standards der Kriegspolitik und Konfliktparteien der vergangenen 60 Jahre gewährt. Ausgefressen-arrogante Tauben im Sowjet-Stil zählen genauso zur Sammlung wie ein metallisch aussehendes Federvieh, welches Bomben auf Vietnam kackt. Auch jüngste Ereignisse wie die Nahost-Initiativen der USA, der Krieg in Syrien, die französische Militärintervention in Mali oder Kim Jong-un finden Eingang in die kritisch-gefiederte Auseinandersetzung um Krieg und Frieden. Die Feder des Hades (Gerhard Haderer) umschifft die direkte Darstellung des Täubchens und beim Weitergehen in der Ausstellung wachsen Zweifel hinsichtlich der Treffsicherheit, ob Taube oder Falke. Und natürlich fehlt auch das Naheliegende nicht: die Taube mit Ölzweig von Pablo Picasso, die er seit dem Kongress des Weltfriedensrates 1949 in Paris noch mehrfach variiert hat.

Petar Pismestrovic, Zwischen zwei Fronten, 2010 - © Petar Pismestrovic, 2010 - Landessammlungen Niederösterreich
Petar Pismestrovic, Zwischen zwei Fronten, 2010 - © Petar Pismestrovic, 2010 - Landessammlungen Niederösterreich

Waffen aus einer Hand

Während die transatlantischen Rüstungskonzerne seit Beginn der 1990er Jahre große Fusions- und Konzentrationsprozesse durchlebten, fusionieren auch bei Knatterton die Waffenfirmen Baller und Bims: "Alle Waffen aus einer Hand". So ist mit Jänner 2014 aus dem im Jahr 2000 gegründeten deutsch-französisch-spanischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS (Hersteller der Eurofighter Typhoon) die Airbus-Group entstanden, welche mit rund 144.000 Beschäftigten der zweitgrößte Rüstungskonzern der Erde geworden ist. In Knattertons Folge "Die ferngelenkte Superbiene" lautet das Fazit der Rüstungsverflechtung: "Aber Hauptsache die Wirtschaft läuft."

Schwärmt der Pazifist Nick Knatterton in den Räumlichkeiten der Handfeuerwaffenproduzentin Bertha Baller von deren Erzeugnissen als "Hymne an die Wehrfreude" so exportieren die EU-Staaten etwa gleich viel konventionelle Waffen in alle Welt wie die USA und Russland. Noch vor einigen Jahren war die EU die Rüstungsexportweltmeisterin. Die EU hat u.a. zur Ankurbelung der Rüstungsexporte im Vertrag von Lissabon eine eigene Agentur vorgesehen. "Gute Komik", so Gerhard Haderer anlässlich einer Veranstaltung im Jahr 2009 auf der Burg Schlaining, "ist an der Grenze zur Tragödie angesiedelt."

Die Europäische Union – 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet – sieht sich selbst wohl in Bezug auf die Gewaltanwendung oftmals im Geiste von Nick Knatterton handelnd. Knatterton – der sich im Film "Ballermänner und Computer" als "der überzeugte Pazifist" outet – hat eine Reihe von human wirkenden Kinnhaken-Methoden entwickelt. Darunter der Maulesel-KO und der legendäre Vierfach-KO.

Maulesel-KO. - © Sceenshot aus "Kennen Sie Nick Knatterton"
Maulesel-KO. - © Sceenshot aus "Kennen Sie Nick Knatterton"
Vierfach-KO in der Alibi-Bar. - © Sceenshot aus "Kennen Sie Nick Knatterton"
Vierfach-KO in der Alibi-Bar. - © Sceenshot aus "Kennen Sie Nick Knatterton"

Westlicher Militärinterventionismus

Mit heutigem Tag hat die EU SoldatInnen in 5 aktuell laufenden EU-Militäreinsätzen stationiert. Bosnien-Herzegowina, Mali, Zentralafrika, Somalia und Kriegsschiffe für die vorgebliche Piratenjagd vor der Küste Somalias. Die Entwicklung um EU-Militäreinsätze und EU-Rüstungsindustrie belegen für die KritikerInnen eine Militarisierung der Union. Die Frage der militärischen Gewaltanwendung hat die EU-Staaten in den letzten beiden Dekaden bereits mehrfach in Bedrängnis gebracht, ja fast vor Zerreißproben gestellt. Die völkerrechtswidrige "humanitäre Intervention" im Kosovo 1999, der 2001 von den USA begonnene Krieg gegen Afghanistan, der ebenso völkerrechtlich illegale "Abrüstungskrieg" gegen den Irak 2003 oder im Jahr 2011, als die NATO mit dem Hintergrund der humanitären Lage einen militärischen "regime change" in Libyen herbeiführte. Mehrere dieser westlichen Kriegsziele hatten zweifelsfrei keine sympathischen Regime und gelten nach "Ende" dieser Kriege nun als "failed states". Zum Scheitern gebrachte Staaten. Die gelassenen Federn sind stets die fremden …

NATO-Partnerschaft mit dem Frieden, von Thomas Paster, 1998. - © Thomas Paster, 2014
NATO-Partnerschaft mit dem Frieden, von Thomas Paster, 1998. - © Thomas Paster, 2014

Märkte, Macht und Muskeln

Die Motivlagen und Instrumente heutiger Militäreinsätze der "zivilisierten Welt" stellen sich im Wesentlichen nicht anders dar als jene der ausgestellten Karikaturen von Erich Sokol, Hellmuth Macheck, Horst Haitzinger, Thomas Paster, Petar Pismestrovic oder jene von Manfred Schmidts Nick Knatterton: Märkte, Macht und Muskeln.

Stellt das Karikaturmuseum noch gemütliche Sitzgelegenheiten und eine Kaffeemaschine in den gut sortierten Museumsshop, kann es wohl Meldezettel für die treuesten Fans ausgeben.