Eduard Angeli zeigt St. Petersburg als Stadt der Einsamkeit: die Isaakskathedrale in einer Weißen Nacht. - © Wienerroither & Kohlbacher/Angeli
Eduard Angeli zeigt St. Petersburg als Stadt der Einsamkeit: die Isaakskathedrale in einer Weißen Nacht. - © Wienerroither & Kohlbacher/Angeli

Es ist erstaunlich, wie schnell Assoziationen auf Fjodor Michailowitsch Dostojewski und seine Novelle "Weiße Nächte" von 1848, sowie die Verfilmung durch Luchino Visconti 1957, vor der neuen Werkserie Eduard Angelis aus St. Petersburg von 2014 auftauchen. Der Untertitel "Ein gefühlvoller Roman. Aus den Memoiren eines Träumers" und der melancholische Grundton einer unerfüllt bleibenden Liebesgeschichte in der nächtlichen russischen Stadt spielen wohl eine Rolle dabei, aber im Grunde hält sich der Künstler von jeglicher Handlung und auch subjektivem Strich fern.

Seine Serie über das nächtliche St. Petersburg ist, ähnlich wie die Blätter und Leinwände aus Venedig, die er 2003 im Belvedere und 2006 in der Albertina zeigte, mit der Stadtlandschaft abseits aller Touristenpfade beschäftigt. Ein Leuchtturm an der Mole, die selten gezeigte Pestinsel und Blicke über die Dächer oder die spiegelglatte Neva verrücken Kathedralen und Palästen in nahe Ferne wie Kulissen. Nur eine Säule und das fragmentarische Transparent "Sankt" spielen mit Bekanntem. Solche Blicke gehören an sich zum alltäglichen, oder besser allnächtlichen Erlebnis schlafloser Einheimischer. Das eigentliche Thema Angelis ist die Nacht, der Sturm, die Stille. Doch statt eines Flaneurs wie im 19. Jahrhundert ist es der Blick wie aus einem Fenster, jedes Werk damit auch ein Zitat der Tafelmalerei an sich, die aus der antiken Bühnenmalerei entstand und in der Renaissance wiederentdeckt wurde.

Doch neben der Erinnerung an alte Bildtheorien kommt in seiner Realität die Mitwirkung von Fotografie und Film zur Sprache. Der Blick durch die Linse der Kamera oder der Filmstil sind mit in diesen neuen Welten enthalten und uns vertraut, auch wenn die Abweichungen von der traditionellen Zentralperspektive und ein neuer Umgang mit Lichtführungen nach wie vor irritieren.

Die Stille des Objektiven


Von den Postmodernen hat der 1942 in Wien geborene Künstler die Rückkehr zum Realen mit einer Ambivalenz hin zur reinen Farbfläche. Doch es sind nicht die expressiven Anliegen der neuen Wilden, eher schon die Farbnebel eines Mark Rothko, die als Zitate neben Erinnerungen an Wandmalereien in Pompeji stehen. Über alles Zeitliche hinweg bildet Angeli sich ständig ergebende Widersprüche ab. Sie erzeugen Spannung und verorten ihn in der Gegenwart, denn die Einsamkeit der Landschaften der Romantik kommt bei allem Zitieren heute ohne Helden, ohne Denkmal, ja sogar ohne vordergründig subjektive Sicht aus.

Die suggerierte Stille des Objektiven überträgt sich und löst jegliche Fremdheit in ein angenehmes Gefühl auf. Manche werfen dem Künstler deshalb auch vor, den Betrachter mit zu viel Schönheit einzuhüllen. Doch ist Kitsch selbst Zitat und keine negative Kategorie mehr. Im Gegenteil: Wie Geschichten sind auch die Touristen aus den Städten getilgt. Das Alleinsein, auch wenn nur scheinbar, löst eine magische Wirkung alltäglicher Fragmente aus und jeder erfindet für sich neue Inhalte, wo keine mehr sind.

Die großformatigen Blätter und Leinwände spielen mit hoher Ästhetik aller Nuancen von Grau, die kaum einer mit Kohlestift so zu erreichen vermag; das ist das Resultat einer ausgeklügelten Technik, die Angeli über alles andere stellt. Er gehört seit Jahrzehnten zu den Wiener Künstlern, die eine hohe Spannung zwischen Realismus, abstrakten Farbflächen und reinen Lichtwirkungen aufbauen. Selten taucht aus den Grauwerten ein zartes Rot, Rosa oder bleiernes Blau auf. Früher gab es in seinen Wüsten, Urwäldern und anderen fremden Landstrichen noch Ocker oder Grün; dass der Künstler in seiner Frühzeit poppig bunte Ölbilder gemalt hat, kann man sich heute nicht mehr vorstellen.